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Asse: Fachgespräch des Umweltausschusses des Bundestags
Stellungnahme für das Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) zum öffentlichen Fachgespräch "Rückholung der Abfälle aus der Asse" am 18. Januar 2017 im Umweltausschuss des Deutschen Bundestages
von Dr. Jörg Tietze, Projektleiter Asse
Quelle: Deutscher Bundestag / Achim Melde
Es gibt wohl kein vergleichbares Projekt in Deutschland, in dem unterschiedliche Positionen öffentlich dargelegt, diskutiert, gegeneinander abgewogen, daraufhin getroffene Entscheidungen beaufsichtigt und kontrolliert werden wie bei der Stilllegung der Schachtanlage Asse. Das gilt für grundsätzliche Fragen wie der nach der Stilllegungsvariante, die verfolgt werden soll, sowie für Detailfragen des Projektes. Die Entscheidung zur Rückholung der Abfälle fiel 2010 nach einem Vergleich verschiedener Optionen, der öffentlich geführt und diskutiert wurde. Im Jahr 2013 verankerte der Deutsche Bundestag diesen Weg im Atomgesetz. Über den aktuellen Stand der Arbeiten informiert sich der Umweltausschuss des Bundestages regelmäßig, zuletzt in seiner Sitzung am 30. November 2016, bei der das Bundesumweltministerium als Fach- und Rechtsaufsicht und das Bundesamt für Strahlenschutz als Betreiber der Anlage über den Sachstand verschiedener Arbeitsschwerpunkte des Projektes berichteten.
Das BfS ist als rechtlich zuständiger Betreiber verantwortlich für seine Entscheidungen und für die Sicherheit von Mensch und Umwelt. Es entscheidet aber nicht eigenständig im Sinne eines üblichen Bergunternehmers, sondern ist in seinem Handeln eng verzahnt und im ständigen Austausch mit den demokratisch legitimierten Institutionen, der Öffentlichkeit, den vor Ort Betroffenen, am Verfahren beteiligten wie unbeteiligten Experten, und es ist eingebunden in gesetzlich festgelegte Abstimmungs- und Kontrollverfahren zwischen den Aufsichts- und Genehmigungsbehörden. Die Art und Weise, wie dabei die einzelnen Schritte in Gremien, eigenen Publikationen und Medien diskutiert und dokumentiert werden, dürfte beispiellos sein. Dies gilt auch für die Themen am 18. Januar 2017, die auf der Tagesordnung des öffentlichen Fachgesprächs des Umweltausschusses des Deutschen Bundestags stehen.
Verfüllen und Stabilisieren – eine wesentliche Voraussetzung für die Rückholung
Die Schachtanlage Asse ist ein Salzbergwerk, das nach mehreren Jahrzehnten der Offenhaltung vor allem mit einem Problem konfrontiert ist: Das Salzgestein ist brüchig und rissig geworden, den Notfall, ein Absaufen der Anlage, können Experten nicht ausschließen. Aus diesem Grund hat sich das BfS frühzeitig und parallel zu allen anstehenden Stilllegungsarbeiten um notwendige Sicherheitsmaßnahmen gekümmert. Das Risiko eines Notfalls soll u.a. durch Stabilisierungsarbeiten, bei denen besonders beanspruchte Bereiche des Bergwerks mit Salzbeton verfüllt werden, verringert werden. Zudem sollen Vorsorgemaßnahmen der Notfallplanung die radioaktiven Abfälle im Fall eines Notfalls bestmöglich einschließen und so einen Austrag an Radioaktivität bis hin zum Menschen und Umwelt verhindern. Die Maßnahmen bilden allerdings auch die Voraussetzung für die Bergung der Abfälle. Denn nur in einem langfristig stabilen und gesicherten Bergwerk lassen sich die geplanten Maßnahmen umsetzen.
In der Öffentlichkeit vor Ort werden die Arbeiten erwartungsgemäß kritisch begleitet. Denn neben dem benannten Ziel der Vorsorge für einen nicht auszuschließenden Notfall werden sie oft auch als Be- oder Verhinderung der Rückholung der radioaktiven Abfälle gesehen. Umso wichtiger ist es, aktiv, offen und ehrlich die Hintergründe, Ziele und Interessen beim Vorgehen zu diskutieren.
Die Verfüllung einer Strecke vor den Abfallkammern in 750 Meter Tiefe – umstritten und dennoch unabweisbar
Zu diesem Thema gibt es seit mehreren Jahren einen regen Austausch in der Asse-Begleitgruppe und dem von der Begleitgruppe beauftragten Fachgremium, der Arbeitsgruppe Optionen Rückholung (AGO). Die Experten haben sich in über 40 Sitzungen und Gesprächen ausgetauscht. Das BfS hat dabei immer wieder zu den einzelnen Positionen Stellung bezogen. Die entsprechenden Dokumente und Briefwechsel sind im Internet einsehbar und dokumentiert. In Fachworkshops haben sich Experten verschiedener Einrichtungen und Institutionen mit dem Thema befasst. Die Entscheidungsschritte sind von den Aufsichts- und Genehmigungsbehörden überprüft worden. Im Sommer 2016 stimmte das Umweltministerium des Landes Niedersachsen den Maßnahmen zu, ebenso die Endlagerüberwachung und das Bundesumweltministerium als Rechts- und Fachaufsicht. Alle für die Sicherheit verantwortlichen Behörden halten das Vorgehen für notwendig.
Trotz der umfangreichen Darlegungen und Diskussion bleibt festzustellen, dass die Maßnahme von der Begleitgruppe nicht akzeptiert wird. Die Verantwortung für die Sicherheit von Mensch und Umwelt und damit über das Vorgehen bei der Asse liegt letztendlich allerdings beim Betreiber der Anlage und den zuständigen Genehmigungs- und Aufsichtsbehörden.
Neuaufstellung des Begleitprozesses erforderlich
Die Diskussion um die Stabilisierungsarbeiten ist nicht die Ursache für die seit längerem bestehenden Probleme im Asse-2-Begleitprozess. Dieser ist vor über acht Jahren implementiert worden. Das BfS hat sich in dieser Zeit konsequent für das Gremium und für eine kritische Auseinandersetzung stark gemacht. Der Begleitprozess wurde in den vergangenen Jahren jedoch durch interne Auseinandersetzungen der Begleitgruppe stark belastet. Bereits im September 2013 hatte der Präsident des BfS der Vorsitzenden der Begleitgruppe seine Sorge um die Zusammenarbeit im Begleitprozess mitgeteilt und auf die besondere Bedeutung tragfähiger Regelungen der Zusammenarbeit im Falle unterschiedlicher Fachauffassungen hingewiesen. Aus Sicht des BfS ist eine Neuaufstellung des Prozesses dringend erforderlich. Leider sind bislang alle Versuche, ein Einvernehmen der Vorsitzenden des Gremiums mit Ihren Mitgliedern herzustellen, einschließlich der Einschaltung einer Moderatorin, gescheitert. Die Vorsitzende der Begleitgruppe hatte zuletzt angekündigt, spätestens im Dezember 2016 einen Vorschlag zum weiteren Vorgehen vorzulegen.
Rückholung oder Verbleib der radioaktiven Abfälle in der Schachtanlage Asse
Eine transparente Diskussion unter Benennung der jeweiligen Interessen ist auch bei der Frage der Stilllegungsoptionen der Asse geboten. Der verantwortliche Betreiber hat zu gewährleisten, dass die verfolgte Schließungsoption der Asse mit den hohen Sicherheitsanforderungen des Atomgesetzes in Einklang zu bringen ist. Dies ist auch nach heutigen Erkenntnissen nur über die Rückholung der Abfälle möglich. Das BfS hat zwischen 2009 und 2010 in einer öffentlich und fachlich geführten Diskussion die verschiedenen Stilllegungsvarianten erörtert. Bei diesem Optionenvergleich wurden die Festlegungen gemäß den etablierten Verfahren nach Hinzuziehung der Genehmigungs- und Aufsichtsbehörden getroffen. 2013 hat der Gesetzgeber das Vorgehen mit der Lex Asse bestätigt. Gleichwohl hinterfragt das BfS regelmäßig die Aktualität und Richtigkeit von einmal getroffenen Entscheidungen. Sollten sich dabei Erkenntnisse ergeben, die eine Neubewertung erforderlich machen, müssen diese benannt und offen diskutiert werden.
Die Strahlenschutzkommission kritisiert nun in einer Stellungnahme das Gesetz zur Rückholung der radioaktiven Abfälle, das 2013 mit breiter politischer Mehrheit vom Bundestag beschlossen wurde. Sie führt aus, es lägen neue fachliche Erkenntnisse vor, nach denen sich ein atomrechtlicher Sicherheitsnachweis auch mit dem Verbleib der Abfälle im Bergwerk führen ließe. Dem BfS lagen und liegen keine derartigen Erkenntnisse vor, die diese Darstellung fachlich rechtfertigen. Worauf sich die Hoffnungen der Strahlenschutzkommission konkret stützen, blieb bislang unbeantwortet.
Fazit
Bei der Stilllegung der Asse werden Abwägungen und Entscheidungsschritte umfassend öffentlich diskutiert und dokumentiert. Grundlage dafür müssen seriöse fachliche Abwägungen sein. Die sichere Stilllegung der Asse erfordert regelmäßige Bewertungen unter Berücksichtigung neuer Erkenntnisse. Für alle Beteiligten bedeutet dies auch eine hohe Verantwortung, fachliche Erkenntnisse unvoreingenommen und offen zu diskutieren und zu bewerten. Sowohl in den Diskussionen um die Stabilisierungsmaßnahmen als auch der zu verfolgenden Stilllegungsoptionen sind dem BfS keine neuen Erkenntnisse bekannt, die aktuell zu einer Neubewertung der hierzu getroffenen Entscheidungen führen würden.
Stand: 19.01.2017