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Ionisierende Strahlung

Umweltradioaktivität - Medizin - Beruflicher Strahlenschutz - Nuklear-spezifische Gefahrenabwehr

Ionisierende Strahlung

Notfallschutz nach Tschernobyl: Konsequenzen für Deutschland

Bei einem Unfall in einem Kernkraftwerk regeln in Deutschland

die notwendigen Katastrophenschutzmaßnahmen.

Seit Februar 2014 werden diese Regelwerke noch ergänzt durch eine Empfehlung der Strahlenschutzkommission: "Planungsgebiete für den Notfallschutz in der Umgebung von Kernkraftwerken". Diese Empfehlung enthält Änderungen für die Notfallschutz-Planungsgebiete, wie sie der folgenden Tabelle zu entnehmen sind:

Notfallschutz-Planungsgebiete
PlanungsgebietBisheriger Stand (2008)Neuer Stand (2014)
Zentralzonebis etwa 2 Kilometer Entfernung
  • Aufenthalt in Gebäuden
  • Einnahme von Jodtabletten
  • Evakuierung
bis etwa 5 Kilometer Entfernung
  • Aufenthalt in Gebäuden
  • Einnahme von Jodtabletten
  • Evakuierung
Mittelzonebis etwa 10 Kilometer Entfernung
  • Aufenthalt in Gebäuden
  • Einnahme von Jodtabletten
  • Evakuierung
bis etwa 20 Kilometer Entfernung
  • Aufenthalt in Gebäuden
  • Einnahme von Jodtabletten
  • Evakuierung
Außenzonebis etwa 25 Kilometer Entfernung
  • Einnahme von Jodtabletten
bis etwa 100 Kilometer Entfernung
  • Einnahme von Jodtabletten
  • Aufenthalt in Gebäuden
Fernzonebis etwa 100 Kilometer Entfernung
  • Versorgung von Kindern und Jugendlichen

    unter 18 Jahren sowie Schwangeren mit Jodtabletten

  • Maßnahmen entsprechend dem

    Strahlenschutz-

    vorsorgegesetz (StrVG),

    insbesondere die Durchführung von Messprogrammen

    zur Ermittlung der radiologischen Lage

gesamtes Staatsgebiet
  • Versorgung von Kindern und Jugendlichen unter 18 Jahren sowie Schwangeren mit Jodtabletten
  • Maßnahmen entsprechend dem Strahlenschutz-

    vorsorgegesetz (StrVG), insbesondere die Durchführung von Messprogrammen zur Ermittlung der radiologischen Lage

Für Katastrophenschutzmaßnahmen, wie zum Beispiel Evakuierungen, sind vorrangig die Bundesländer und die regionalen Katastrophenschutzbehörden zuständig. Auf Anforderung erhalten sie Unterstützung durch das Technische Hilfswerk (THW) und das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK). Bei einer Freisetzung von Radioaktivität bekommen die Länder darüber hinaus Hilfestellung vom Bundesamt für Strahlenschutz (BfS).

Die Radioaktivitätsmesswerte in der Umwelt werden im Rahmen des Integrierten Mess- und Informationssystem (IMIS) das vom Bundesamt für Strahlenschutz betrieben wird, übermittelt und in Form von Karten und Tabellen dargestellt. Mit Hilfe des Entscheidungshilfesystems RODOS schätzt das BfS die Umweltkontamination und die daraus resultierende Strahlenexposition des Menschen zeitnah flächendeckend abgeschätzt werden. Die Ergebnisse der Berechnungen und die Messungen stehen allen Verantwortlichen zur Einsicht umgehend zur Verfügung.

Neben dem Katastrophenschutz gehört zum radiologischen Notfallschutz die Strahlenschutzvorsorge. Zum Schutz der Bevölkerung überwacht der Bund die Umweltradioaktivität und bewertet die Daten. Er spricht, falls erforderlich, zum Beispiel Verbote und Beschränkungen beim Verzehr von Lebensmitteln und bei der Nutzung von Futtermitteln aus. In Abstimmung mit den Ländern kann der Bund der Bevölkerung bestimmte Verhaltensweisen empfehlen. Gesetzliche Grundlage dafür ist das Strahlenschutzvorsorgegesetz.

Das Strahlenschutzvorsorgegesetz

Das Fehlen gesetzlicher Vorgaben führte nach dem Reaktorunfall von Tschernobyl dazu, dass teilweise unterschiedliche Grenzwerte und Maßnahmen im Bund und in den Bundesländern empfohlen wurden. Um die rechtlichen Voraussetzung für ein bundesweit koordiniertes Handeln in vergleichbaren Situationen zu schaffen, wurde als Konsequenz bereits am 19. Dezember 1986 das „Gesetz zum vorsorgenden Schutz der Bevölkerung gegen Strahlenbelastung“ (Strahlenschutzvorsorgegesetz, StrVG, geändert 2008) erlassen.

Zweck dieses Gesetzes ist es, die routinemäßige Überwachung der Radioaktivität in der Umwelt zu regeln und "die Strahlenexposition der Menschen und die radioaktive Kontamination der Umwelt im Falle von Ereignissen mit möglichen nicht unerheblichen radiologischen Auswirkungen unter Beachtung des Standes der Wissenschaft und unter Berücksichtigung aller Umstände durch angemessene Maßnahmen so gering wie möglich zu halten". Danach ist es Aufgabe des Bundesamtes für Strahlenschutz, im Rahmen des Integrierten Mess- und Informationssystem IMIS gemeinsam mit weiteren Bundesbehörden wie zum Beispiel des Deutschen Wetterdienstes und der Länder, die Kontamination der Umwelt nach einem Ereignisfall schnell zu ermitteln und die daraus resultierende Dosis abzuschätzen. Das Bundesumweltministerium bewertet die Lage, leitet Maßnahmen ein und informiert die Öffentlichkeit.

Eingreifrichtwerte

Um in einem Ereignisfall schnell und angemessen handeln zu können, ist es notwendig, vorab festzulegen, ab welcher zu erwartenden Strahlenbelastung des Menschen Maßnahmen ergriffen werden müssen. Es gibt feste Dosiseingreifrichtwerte für die Evakuierung, das Verweilen im Haus und die Einnahme von Jodtabletten. Oberhalb der Dosiseingreifrichtwerte sind die Maßnahmen in jedem Fall - wenn möglich - durchzuführen. Unterhalb sind die Maßnahmen unter dem Aspekt der Verhältnismäßigkeit zu erörtern. Die Strahlenbelastung der Menschen soll in jedem Fall so gering wie vernünftigerweise erreichbar gehalten werden.

Eingreifrichtwerte für die Maßnahmen Aufenthalt in Gebäuden, Jodblockade und Evakuierung
(Stand 2014)
MaßnahmeOrgandosis (Schilddrüse)Effektive DosisIntegrationszeiten und ExpositionspfadeAlte Richtwerte
Aufenthalt in Gebäuden10 MillisievertÄußere Exposition in 7 Tagen und effektive Folgedosis durch in diesem Zeitraum inhalierte Radionuklide5 - 50 Millisievert
Effektive Dosis
Einnahme von Jodtabletten Im Zeitraum von 7 Tagen inhaliertes Radiojod einschließlich der Folgeäquivalentdosis200 - 1.000 Millisievert
Schilddrüsendosis für Kinder und Erwachsene
Evakuierung100 Millisievert Äußere Exposition in 7 Tagen und effektive Folgedosis durch in diesem Zeitraum inhalierte Radionuklide100 - 500 Millisievert
Effektive Dosis

Maßnahmenkatalog

Damit zuständige Behörden bei radiologischen Notfällen und großräumigen Kontaminationen rasch handeln können, wurde unter Beteiligung des Bundesamtes für Strahlenschutz der Maßnahmenkatalog erstellt. Auf der Grundlage von Prognose- und Messwerten der Umweltradioaktivität dient er der Auswahl von Schutzmaßnahmen für die Bevölkerung. Im Katastrophenfall sind dies

  • Aufenthalt in Häusern,
  • Einnahme von Jodtabletten
  • Evakuierung.

Bei der Strahlenschutzvorsorge gehören zum Beispiel

  • Umsiedlung,
  • Dekontamination von Bodenoberflächen und
  • Verbot des Verkaufs kontaminierter Nahrungsmitteln

dazu.

Der Maßnahmenkatalog enthält ausführliche Hintergrundinformation zu den einzelnen Maßnahmen. Es weist auf die Wirksamkeit und mögliche Probleme bei der Durchführung hin. Er zeigt die Vorteile auf und negative Nebenwirkungen, wie fehlende Absatzmöglichkeiten für kontaminierte Lebensmittel hin.

Zentrale Lager für Kaliumjodidtabletten in Deutschland Zentrale Lager für KaliumjodidtablettenZentrale Lager für Kaliumjodidtabletten in Deutschland Quelle: Bundesumweltministerium

Jodtabletten

Die kindliche Schilddrüse reagiert wesentlich empfindlicher als die Erwachsener auf radioaktives Jod. Aufgrund wissenschaftlicher Erkenntnisse liegen die Eingreifrichtwerte für die Maßnahme Jodblockade bei Kindern und Jugendlichen (bis 18 Jahre) und schwangeren Frauen daher bei 50 Millisievert Schilddrüsendosis. Erwachsenen von 18 bis 45 Jahren wird ab 250 Millisievert Schilddrüsendosis die Einnahme von Jodtabletten empfohlen. (Bei älteren Personen ab 45 Jahren sind gesundheitliche Gefährdungen der Schilddrüse durch die Einnahme hochkonzentrierter Jodtabletten möglich).

Im Planungsbereich bis 25 Kilometer um eine kerntechnische Anlage sind diese Jodtabletten von den zuständigen Bundesländern bereits teilweise an die Haushalte vorverteilt oder bei Kommunen und Landratsämtern eingelagert. Das Gemeinsame Melde- und Lagezentrum des BBK koordiniert mit dem Technischen Hilfswerk und dem Flugdienst der Bundespolizei im Ereignisfall für Bund und Länder die Verteilung der Kaliumjodid-Tabletten außerhalb des 25-Kilometer-Radius. In einem Ereignisfall müssen die Jodtabletten innerhalb von zwölf Stunden und unabhängig von Tageszeit und Witterung ausgeliefert werden können. Um dies zu erreichen, gibt es im gesamten Bundesgebiet acht zentrale Jodtablettenlager.

Bei Gefahr einer drohenden Freisetzung von radioaktivem Jod verteilen die zuständigen Behörden entsprechend der neu festgelegten Planungszonen von 2014 Jodtabletten an Kinder, Jugendliche und schwangere Frauen im gesamten deutschen Staatsgebiet.

Integriertes Mess- und Informationssystem zur Überwachung der Umweltradioaktivität (IMIS)

Radioaktivitätsmessungen gibt es in Deutschland seit den 50er Jahren. Allerdings waren die Messungen bis zum Reaktorunfall von Tschernobyl 1986 nicht aufeinander abgestimmt. Daraufhin verabschiedete Ende 1986 der Deutsche Bundestag das Strahlenschutzvorsorgegesetz. Es ist die Rechtsgrundlage für die flächendeckende Überwachung der Radioaktivität in Deutschland durch Bund und Länder. Radioaktivitätsmessungen sind seither im Integrierten Mess- und Informationssystem IMIS vereinheitlicht und zusammengefasst. Das Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) ist zuständig für die Koordination von IMIS. Das BfS wertet die Messdaten aus und unterstützt mit Empfehlungen für Vorsorgemaßnahmen die zuständigen Notfallschutzbehörden im Falle eines radiologischen Unfalls. Das BfS betreibt als weitere Aufgabe im Rahmen von IMIS RODOS-Modellrechnungen für Dosis- und Kontaminations-Prognosen.

IMIS fasst Messeinrichtungen und Institutionen aus Bund und Ländern zusammen

Länder sind verantwortlich für Messungen der Radioaktivität im Wesentlichen in

  • Lebensmitteln,
  • Futtermitteln,
  • Boden,
  • Trinkwasser und Grundwasser,
  • Abfällen, Abwasser und Klärschlamm.

Routine- und Intensivmessprogramm

Das Routine- und Intensivmessprogramm bestimmt auf der Grundlage des Strahlenschutzvorsorgegesetzes wie Messungen im Integrierten Mess- und Informationssystem IMIS zur Überwachung der Umweltradioaktivität durchzuführen sind. Die beiden Programme regeln auch, wie häufig Radioaktivitätsmesswerte an die Datenzentrale im Bundesamt für Strahlenschutz weitergeleitet werden. Im Falle einer großräumigen Kontamination mit radioaktiven Stoffen werden online erhobene Daten von einmal pro Tag (im Routinefall) im Falle eines Unfalls mit radiologischen Folgen teilweise alle 10 Minuten übermittelt. Damit können die zuständigen Behörden die radiologische Lage sehr schnell analysieren.

Stand: 11.07.2017

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