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Ionisierende Strahlung

Umweltradioaktivität - Medizin - Beruflicher Strahlenschutz - Nuklear-spezifische Gefahrenabwehr

Ionisierende Strahlung

Eingreifrichtwerte

  • Eingreifrichtwerte geben an, ab welcher zu erwartenden Strahlenbelastung des Menschen in einem radiologischen Notfall welche Schutzmaßnahmen ergriffen werden sollten.
  • Für die Schutzmaßnahmen "Aufenthalt von Menschen in Gebäuden" bzw. "Evakuierung" ist der Eingreifrichtwert eine effektive Dosis von 10 bzw. 100 Millisievert innerhalb von 7 Tagen.
  • Für die Schutzmaßnahme "Einnahme von Jodtabletten" ist der Eingreifrichtwert eine Organdosis von 50 Millisievert für Kinder bis 18 Jahren und Schwangere bzw. 250 Millisievert für Personen von 18 bis 45 Jahren innerhalb von 7 Tagen.

Schuhe vor einer Linie

Um in einem radiologischen Notfall schnell und angemessen handeln zu können, ist es notwendig, vorab festzulegen, ab welcher zu erwartenden Strahlenbelastung des Menschen Maßnahmen ergriffen werden sollten. Daher gibt es "Eingreifrichtwerte" – das sind Richtwerte, bei deren Überschreitung eingegriffen (gehandelt) wird.

Als Bewertungsmaßstab dient die Dosis der Strahlung. Sie gibt an, wieviel Strahlung ein Mensch – im Verhältnis zu seiner Masse - aufgenommen hat. Der Eingreifrichtwert ist also ein Dosis-Wert, er wird in der Einheit Millisievert (mSv) angegeben.

Dosiswerte lassen sich vor bzw. während einer Freisetzung von Radioaktivität durch Prognosen abschätzen. Das BfS betreibt hierfür das Prognosesystem RODOS.

Wozu braucht man Eingreifrichtwerte?

In einem radiologischen Notfall gibt es unterschiedliche Katastrophenschutzmaßnahmen:

  • die Evakuierung von Menschen,
  • der Aufenthalt von Menschen in Gebäuden und
  • die Einnahme von Jodtabletten.

Feste Eingreifrichtwerte geben an, ab wann welche Maßnahme durchgeführt werden muss. Dabei spielen für unterschiedliche Maßnahmen auch unterschiedliche Dosis-Arten eine Rolle:

  • Für die Einnahme von Jodtabletten ist nur die Organdosis der Schilddrüse relevant. Das ist die Dosis, die nur auf die Schilddrüse wirkt. Damit in einem radiologischen Notfall die Schilddrüse kein radioaktives Jod aufnehmen kann, sollen Jodtabletten die Schilddrüse vorher mit nicht-radioaktivem Jod sättigen. Der Eingreifrichtwert für diese Maßnahme ist daher ein Organdosiswert für die Schilddrüse.
  • Für die Maßnahmen "Evakuierung" und "Aufenthalt von Menschen in Gebäuden" wird die Effektive Dosis als Maß genommen. Die Effektive Dosis ist die Summe aller Organdosen, beschreibt also die Wirkung der Strahlung auf den gesamten Körper.

Eingreifrichtwerte dienen als Maßstab dafür, wann aus Sicht des Strahlenschutzes bestimmte Schutzmaßnahmen gerechtfertigt sein können. Bei einer Entscheidung über solche Maßnahmen müssen aber noch weitere Aspekte berücksichtigt werden, wie zum Beispiel, ob die Maßnahme durchführbar ist und welche zusätzlichen Risiken dabei entstehen. Wird ein Eingreifrichtwert überschritten, löst dies daher nicht automatisch eine Maßnahme aus.

Liegen die Dosis-Werte unterhalb des jeweiligen Eingreifrichtwertes, sind die Katastrophenschutzmaßnahmen unter dem Aspekt der Verhältnismäßigkeit zu erörtern. Die Strahlenbelastung der Menschen soll in jedem Fall so gering wie vernünftigerweise erreichbar gehalten werden.

Eingreifrichtwerte im Überblick

Katastrophen- schutz-maßnahmeOrgandosis (Schilddrüse)Effektive DosisIntegrationszeiten und Expositionspfade
Aufenthalt von Menschen in Gebäuden10 MillisievertÄußere Exposition in 7 Tagen und effektive Folgedosis durch in diesem Zeitraum inhalierte Radionuklide
Einnahme von Jodtabletten

50 Millisievert (Kinder bis zu 18 Jahren sowie Schwangere)

250 Millisievert (Personen von 18 bis 45 Jahren)

Im Zeitraum von 7 Tagen inhaliertes Radiojod einschließlich der Folgeäquivalentdosis
Evakuierung100 Millisievert Äußere Exposition in 7 Tagen und effektive Folgedosis durch in diesem Zeitraum inhalierte Radionuklide

Katastrophenschutzmaßnahmen

Aufenthalt von Menschen in Gebäuden / Evakuierung

Maßnahmen "Aufenthalt von Menschen in Gebäuden" und "Evakuierung"

Für die Katastrophenschutzmaßnahme "Aufenthalt von Menschen in Gebäuden" ist der Eingreifrichtwert eine effektive Dosis von 10 Millisievert; für die Katastrophenschutzmaßnahme "Evakuierung" ist der Eingreifrichtwert eine effektive Dosis von 100 Millisievert. Diese effektive Dosis setzt sich zusammen aus

  • der Dosis, die ein Erwachsener erhalten würde, wenn er sich während des Unfalls 7 Tage durchgehend im Freien aufhalten würde: dabei wirkt sowohl die Strahlung von außen ("äußere Exposition") als auch die Strahlung durch eingeatmete radioaktive Teilchen ("inhaltierte Radionukide")
  • und der Dosis, die dieser Erwachsene aus der in den folgenden Monaten und Jahren aus den radioaktiven Teilchen abgegebenen Strahlung erhalten würde, die über die Atmung und Nahrung in diesen 7 Tagen in den Körper aufgenommen und nicht gleich wieder ausgeschieden wurde (effektive Folgedosis). Manche radioaktive Teilchen verbleiben nur kurz im Körper und werden über den Stoffwechsel schnell ausgeschieden, andere werden in die Knochen eingebaut und verbleiben dort bis sie zerfallen. Je nach Halbwertszeit des jeweiligen Radionuklids vergehen bis zum Zerfall Sekunden bis Jahre.

Einnahme von Jodtabletten

Maßnahme "Einnahme von Jodtabletten"

Für die Katastrophenschutzmaßnahme "Einnahme von Jodtabletten" ist der Eingreifrichtwert für Kinder bis 18 Jahren und Schwangere eine Organdosis der Schilddrüse von 50 Millisievert sowie für Erwachsene zwischen 18 und 45 Jahren eine Organdosis der Schilddrüse von 250 Millisievert. Die Organdosis setzt sich zusammen aus

  • der Dosis des eingeatmeten ("inhaltierten") radioaktiven Jod (Radiojod), wenn man sich während der Freisetzung 7 Tage lang durchgehend im Freien aufhalten würde
  • und der Dosis, die aus der Strahlung des in der Schilddrüse eingelagerten Jods in den folgenden knapp 3 Monaten resultieren würde (Jod hat eine Halbwertszeit von 8 Tagen und ist zu 99,9 % nach 80 Tagen zerfallen).

Über 45-Jährige sollten von einer Einnahme der Jodtabletten absehen, da mit steigendem Alter häufiger Stoffwechselstörungen der Schilddrüse auftreten. Dadurch erhöht sich die Gefahr von Nebenwirkungen einer Jodblockade. Zudem nimmt mit steigendem Alter die Wahrscheinlichkeit stark ab, an durch ionisierende Strahlung verursachtem Schilddrüsenkrebs zu erkranken.

Wer hat die Eingreifrichtwerte festgelegt?

Die aktuell gültigen Eingreifrichtwerte wurden 2014 von der Strahlenschutzkommission (SSK) empfohlen. Sie werden derzeit auf Basis des Strahlenschutzgesetzes in Verordnungen verankert.

Die SSK ist ein Beratergremium des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit (BMU) und setzt sich aus ehrenamtlichen, unabhängigen Experten zusammen.

Stand: 23.07.2018

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