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Messsysteme und Software
- Im radiologischen Notfall kommen mobile und stationäre Messysteme zum Einsatz.
- Das BfS hat spezielle Programme entwickelt, um die mit den verschiedenen Messsystemen gewonnenen Daten zu sammeln und auszuwerten.
In der Frühphase eines möglichen radiologischen Störfalls kommen im BfS ausschließlich automatisch arbeitende stationäre und quasi-stationäre ODL-Messsysteme zum Einsatz.
Nachdem sich die radiologische Lage stabilisiert hat und keine Freisetzung mehr zu erwarten ist, dienen ergänzende Messungen dazu, das Bild der radiologischen Lage zu verfeinern. Zu diesem Zweck setzt das BfS mobile Messsysteme ein.
Insgesamt werden vier unterschiedliche Arten an Messsystemen vorgehalten.
Messsystem Hubschrauber
Messsysteme im Hubschrauber
Reinstgermanium-Detektor (HPGe)
Für die Messflüge werden Hubschrauber mit speziellen Einrichtungen zum Aufspüren gammastrahlender Radionuklide ausgerüstet.
Hierbei kommen zwei verschiedene Detektortypen zum Einsatz: Dies ist zum einen ein hochreiner Germaniumdetektor zur sicheren Identifikation von radioaktiven Stoffen, zum anderen bis zu vier Natriumjodid-Detektoren zum Aufspüren von Strahlenquellen und Strahlungsanomalien sowie zur Bestimmung der Gamma-Ortsdosisleistung.
Natriumjodid-Detektor (NaI(Tl)-Detektor)
Aufgrund der hohen Empfindlichkeit der Natriumjodid-Detektoren können Spektren schnell aufgenommen und ausgewertet werden. Während eines Messzyklus von einer Sekunde wird bei einer Fluggeschwindigkeit von 100 Stundenkilometer eine Strecke von etwa 28 Metern überflogen.
Summenspektren des Germaniumdetektors und eines NaI(Tl)-Detektors vom Messflug "Biblis"
Dahingegen können die Messzyklen beim Germaniumdetektor wegen der geringeren Nachweiswahrscheinlichkeit mehrere zehn Sekunden bei der Kartierung der natürlichen Radioaktivität in der Umwelt betragen.
Neben den Messspektren werden bei jedem Messzyklus auch die Flughöhen anhand des im Hubschrauber eingebauten Radarhöhenmessers und die geographischen Koordinaten (GPS) aufgezeichnet. Diese eindeutige Zuordnung der geographischen Koordinaten zu den Messdaten ermöglicht eine radiologische Kartierung der beflogenen Messgebiete.
Zusätzlich können in den Hubschrauber weitere Messinstrumente wie z. B. ein Gamma- Ortsdosisleistungsmessgerät eingebaut werden. Dadurch kann die Hubschrauberbesatzung während des Messfluges jederzeit über die aktuelle Dosisleistung bzw. die aufgelaufene Dosis informiert werden.
Fahrzeug-gestützt
Mobile in-situ Messsysteme
Um Radionuklide im Boden in-situ – also vor Ort und ohne Probenahme – nachzuweisen, wird die Art der beim Zerfall der Radionuklide ausgesandten Strahlung analysiert. Diese ist charakteristisch für den jeweiligen Prozess. Die Art der emittierten Teilchen und deren Energie(-verteilung) stellen somit eine Art Fingerabdruck eines Radionuklids dar.
In-situ Gammaspektroskopie
Für die in-situ Gammaspektroskopie setzt man nahezu ausschließlich Messsysteme ein, deren Kernstück aus einem mit hochreinem Germanium (abgekürzt HPGe nach dem englischen high purity Germanium) gefüllten Detektorkopf besteht. Die Energie der Gammastrahlung wird in elektrische Impulse umgewandelt. Durch einen Vielkanalanalysator wird die Impulshöhe verarbeitet und ein Spektrum erzeugt.
HPGe-Detektoren zeichnen sich durch eine sehr gute Energieauflösung aus, die allerdings nur über eine starke Kühlung (circa -196 Grad Celsius) erreicht wird. Durch großvolumige Detektoren und lange Messzeiten können auch sehr geringe Mengen an Radionukliden nachgewiesen werden.
Mobile ODL
Mobile ODL zur Messung während der Fahrt
Für ODL-Messungen während der Fahrt nutzt das BfS ein großvolumiges NBR- (Natural Background Reduction) System.
Das System nutzt ein spezielles Verfahren, um zwischen künstlicher und natürlich vorkommender radioaktiver Strahlung zu unterscheiden. Dabei detektiert das System die Gammastrahlung in verschieden Energiebereichen und vergleicht die gemessenen Werte miteinander. Weicht das gemessene Spektrum von dem vorher erlernten natürlichen Spektrum ab, ist dies ein Indiz für künstliche Aktivität.
Rucksack-getragene ODL-Messsysteme zur kleinräumigen Kartierung
Das mobile Messsystem besteht aus einer eichfähigen Szintillatorsonde in Kombination mit einer GPS-Maus und einem Laptop.
An ein vom BfS entwickeltes Programm werden folgende Daten geliefert:
- die gemessene Ortsdosisleistung (1 Wert pro Sekunde) von der Sonde sowie
- die geographische Position,
- die Geschwindigkeit und
- die geographische Höhe von einer angeschlossenen GPS-Maus.
Die Daten können automatisch im Minutentakt über eine Mobilfunkverbindung zu einem der sechs zentralen Datenserver des BfS-Ortsdosisleistungsmessnetzes (ODL-Messnetz) übertragen und in eine Datenbank eingespeist werden. Die Mitarbeiter vor Ort und in der BfS-Leitstelle können online die Position und die gemessene Ortsdosisleistung der beteiligten Messsysteme beobachten. Bei Bedarf können sie über Handy die Route korrigieren oder kleinräumigere Messungen in einem bestimmten Gebiet anordnen
ODL-Sonden
Stationäre und quasi-stationäre ODL-Sonden
Temporär aufgebaute quasi-stationäre Sonde
Das ODL-Messnetz verfügt über ortsfest aufgebaute Sonden mit kabelgebundenen Anschlüssen zur Stromversorgung und zur Datenübertragung. Zusätzlich stehen auch sogenannte quasi-stationäre ODL-Sonden bereit. Es handelt sich dabei um mobile Sonden mit autarker Stromversorgung. Im Ereignisfall kann das Messnetz mit diesen Sonden gezielt in einem möglicherweise betroffenen Gebiet verdichtet werden. Dadurch lassen sich kleinräumigere Bewertungen der radiologischen Lage erstellen. Das Gesamtbild wird genauer.
Aufbau und Funktionsweise der Messsonden
Die stationären und quasi-stationären ODL-Sonden sind weitgehend baugleich. Sie bestehen aus zwei Geiger-Müller-Zählrohren. Die Zählrohre sind mit Gas gefüllt und befinden sich in einem elektrischen Feld. Schlagen Teilchen durch die Rohrwand, wird ein Spannungsimpuls erzeugt, der dann gezählt wird. Die gasgefüllten Zählrohre sind unterschiedlich groß und ermöglichen so einen extrem weiten Messbereich zwischen etwa 0,04 Mikrosievert pro Stunde und 5 Sievert pro Stunde.
Das Niederdosis-Zählrohr
Das empfindliche sogenannte Niederdosis-Zählrohr ermöglicht die Bestimmung der ODL im Grundpegelbereich. Das ist der Bereich der natürlichen Umweltradioaktivität, die in Deutschland bzw. Europa typischerweise im Bereich von 0,04 bis 0,25 Mikrosievert pro Stunde liegt.
Das Hochdosis-Zählrohr
Um auf alle Szenarien vorbereitet zu sein, ermöglicht das zweite sogenannte Hochdosis-Zählrohr die Messungen der ODL bis 5 Sievert pro Stunde.
Die von den ODL-Sonden erzeugten Daten ermitteln einen Gesamtwert der Umgebungsradioaktivität, ohne zwischen unterschiedlichen Radionukliden zu unterscheiden.
Spektrometrierende ODL-Sonden
Eine spektrometrierende ODL-Sonde wird zur energieabhängigen Registrierung der Gamma- und Röntgenstrahlung eingesetzt. Beispielsweise wird bei einem Szintillator-Detektor die Energie der Strahlung in Lichtimpulse umgewandelt. Das Licht wird verstärkt und in ein analoges elektrisches Signal verarbeitet. Das elektrische Signal wird in einen digitalen Wert umgerechnet und weiterverarbeitet. Werden diese Signale über einen längeren Zeitraum – zum Beispiel 30 Minuten - aufgezeichnet, so ergibt sich ein Spektrum. Dieses Spektrum gibt Aufschluss darüber, welche Radionuklide in welcher Intensität beteiligt sind.
Mess- und Auswertesoftware
Das BfS hat mehrere Programme entwickelt, um während des Fluges Daten aufnehmen und anschließend weiter verarbeiten zu können.
- Control Flight Server (CFS): Mit dem Programm können alle im Messsystem enthaltenen Hardwarekomponenten angesteuert werden.
- Programmable Interface for Spectrometry Applications (PISA): Mit PISA werden Messungen gestartet, beendet und eingestellte Messparameter sowie aufgenommene Messdaten visualisiert und gespeichert.
- Rohflug: Das Programm ermöglicht eine erste detaillierte Auswertung der Messdaten direkt nach der Landung des Hubschraubers.
Control Flight Server
Control Flight Server (CFS)
Schematischer Aufbau des aero-gammaspektrometrischen Messsystems
Bei Aufruf dieses Programms werden ASCII-Dateien eingelesen, in denen alle Parameter
- der verwendeten Detektoren,
- des Dosisleistungsmessgerätes,
- des Radarhöhenmessers und
- des GPS
definiert sind.
Das Einlesen der Parameter erfolgt sequentiell und kann auf dem Bildschirm verfolgt werden.
PISA
Programmable Interface for Spectrometry Applications (PISA)
Benutzeroberfläche von PISA: Darstellung verschiedener Messdaten beim Überflug einer Rotschlammhalde
Nachdem alle notwendigen Dateien in CFS eingelesen sind, kann das Programmable Interface for Spectrometry Applications (PISA) aufgerufen werden.
Die Benutzeroberfläche von PISA ermöglicht es, während der Messflüge sowohl die Messtechnik zu überwachen als auch - anhand ausgewählter Informationen - radiologische Auffälligkeiten unmittelbar zu erkennen.
Mögliche Konfigurationen der Benutzeroberfläche von PISA beinhalten unter anderem
eine Anzeige
- der Hardwareeinstellungen,
- der Position des Hubschraubers,
- der Flughöhe sowie
- Darstellungen von Spektren der vier NaI(Tl)-Detektoren bzw. des Halbleiterdetektors.
Rohflug
Rohflug-Programm
Bei einem Messflug ermittelte Gamma-Ortsdosisleistung entlang der Flugbahnen, dargestellt mit dem Programm Rohflug
Neben der Darstellung von Einzelmesswerten werden in Rohflug auch die wichtigsten statistischen Größen wie
- Erkennungsgrenzen,
- Maxima und
- Mittelwerte
berechnet und angezeigt.
Mit der Auswertesoftware Rohflug werden die auf dem Messflug ermittelten Gamma-Ortsdosisleistungen in eine geographische Karte eingetragen
Rohflug verfügt über eine grafische Benutzeroberfläche, mit der die erhaltenen Messdaten effizient ausgewertet werden können.
Bereiche erhöhter Gamma-Ortsdosisleistung (ODL) sind dadurch schnell und eindeutig identifizierbar.
Die in Rohflug dargestellten Messdaten können direkt mit einer geographischen Karte hinterlegt und ausgedruckt werden.
Stand: 01.08.2017