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Ionisierende Strahlung

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Ionisierende Strahlung

Neuartige Strahlenanwendungen in der Medizin: Abgrenzung Heilkunde – Medizinische Forschung

Ergebnisse eines BfS-Fachgesprächs am 21.03.2013

Am 21.03.2013 fand auf Initiative des Bundesamtes für Strahlenschutz (BfS) am Standort Neuherberg bei München ein Fachgespräch zum Thema "Neuartige Strahlenanwendungen in der Medizin: Abgrenzung Heilkunde – Medizinische Forschung" statt.

An diesem Fachgespräch nahmen Vertreter folgender Institutionen teil:

  • Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (BMU),
  • Bundesamt für Strahlenschutz (BfS),
  • Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF),
  • Länderausschuss Röntgenverordnung (LaRöV) / Fachausschuss Strahlenschutz (FAS),
  • Deutsche Röntgengesellschaft (DRG),
  • Deutsche Gesellschaft für Nuklearmedizin (DGN),
  • Deutsche Gesellschaft für Radioonkologie (DEGRO),
  • Netzwerk der Koordinierungszentren für Klinische Studien (KKS-Netzwerk) sowie
  • Zentralverband Elektrotechnik- und Elektronikindustrie e.V. (ZVEI).

Hinsichtlich neuartiger Strahlenanwendungen in der Medizin sind insbesondere zwei Rechtskreise zu beachten: einerseits das Medizinproduktegesetz (MPG) sowie andererseits das Atomgesetz (AtG) einschließlich Strahlenschutzverordnung (StrlSchV) und Röntgenverordnung (RöV). Falls es sich um neuartige Radiopharmaka handelt, sind gegebenenfalls auch das Arzneimittelgesetz (AMG) beziehungsweise die Verordnung über radioaktive oder mit ionisierenden Strahlen behandelte Arzneimittel (AMRadV) zu beachten.

Das MPG regelt in erster Linie das Inverkehrbringen von Medizinprodukten. Die strahlenschutzrechtlichen Verordnungen regeln hingegen unter anderem den Umgang mit radioaktiven Stoffen und den Betrieb von Anlagen zur Erzeugung ionisierender Strahlen (zum Beispiel Beschleuniger, Röntgeneinrichtungen) sowie – darauf aufbauend – die Anwendung radioaktiver Stoffe oder ionisierender Strahlung am Menschen in Heilkunde und Forschung.

Werden Strahlenanwendungen am Menschen zum Zwecke der medizinischen Forschung durchgeführt, bedarf es hierfür der vorherigen Genehmigung durch das BfS. Erfolgen Strahlenanwendungen im Rahmen der Heilkunde, muss dafür zunächst ein Arzt mit der erforderlichen Fachkunde im Strahlenschutz die rechtfertigende Indikation stellen. Bei neuartigen Strahlenanwendungen kann die hierfür jeweils erforderliche Nutzen-Risiko-Abwägung im Sinne der Rechtfertigung in der Regel nicht auf der Basis bestehender Evidenz abschließend getroffen werden, da weder Nutzen noch Risiko bereits bekannt sind. Hierzu bedarf es zielgerichteter, klinischer Studien.

Ergebnisse

Die wesentlichen Ergebnisse des Fachgespräches lassen sich wie folgt zusammenfassen:

  • MPG sowie Strahlenschutzrecht stehen sowohl national als auch europarechtlich selbständig nebeneinander.
  • Das MPG regelt in erster Linie das Inverkehrbringen von Medizinprodukten. Hinsichtlich der anschließenden Verwendung von Medizinprodukten, die gleichzeitig unter den Anwendungsbereich des Strahlenschutzrechts fallen (zum Beispiel Röntgeneinrichtungen), sind die Regelungen des MPG nicht abschließend. Voraussetzung für das Inverkehrbringen von Medizinprodukten ist die CE-Kennzeichnung nach MPG.
  • Die CE-Zertifizierung im Rahmen des MPG hat keinen Einfluss auf das Prinzip der Rechtfertigung im Sinne der StrlSchV oder der RöV und präjudiziert folglich auch keine generische Rechtfertigung Level II gemäß ICRP 105 von 2007 (siehe Kapitel 8 (Justification of a radiological practice in medicine) (60): "At the second level, a specified procedure with a specified objective is defined and justified (e.g. chest x rays for patients showing relevant symptoms, or a group of individuals at risk for a condition that can be detected and treated). The aim of the second level of justification is to judge whether the radiological procedure will improve the diagnosis or treatment, or will provide necessary information about the exposed individuals.").
  • Für neuartige Verfahren beziehungsweise neue Applikationen sind klinische Studien erforderlich, um Nutzen und Risiken valide gegeneinander abwägen zu können und damit die klinische Wertigkeit dieser Strahlenanwendungen / Applikationen zu evaluieren. Genehmigungen für solche klinischen "pre-market"-Studien müssen nicht nur beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM), sondern gemäß § 23 StrlSchV oder § 28a RöV auch beim BfS beantragt werden.
  • "Klinische Prüfung" im Sinne der CE-Zertifizierung bedeutet lediglich die Untersuchung der Funktionstüchtigkeit eines Medizinprodukts, anwendungsspezifische Studien zu einzelnen Indikationen erfolgen jedoch in der Regel nicht
  • Grundsätzlich gilt: Beim Einsatz eines Medizinprodukts, für das die StrlSchV oder die RöV zu beachten sind, muss zunächst unterschieden werden, ob es im Rahmen der Heilkunde (nicht genehmigungsbedürftig durch das BfS) oder der medizinischen Forschung (genehmigungsbedürftig durch das BfS) eingesetzt werden soll. Die Entscheidung, ob bei einer Strahlenanwendung im Einzelfall eine ausreichende Evidenz für deren Anwendung im Rahmen der Heilkunde vorliegt, trifft letztendlich der im Strahlenschutz fachkundige Arzt unter Berücksichtigung des aktuellen Stands der medizinischen Wissenschaft, wie er zum Beispiel in Leitlinien der entsprechenden Fachgesellschaften, in anerkannten Standardlehrbüchern oder in Review-Artikeln renommierter medizinischer Fachzeitschriften formuliert ist. Der fachkundige Arzt trägt die Verantwortung für seine auf objektiven Kriterien basierende Entscheidung.
  • Sofern für eine geplante Anwendung die Abgrenzung "Heilkunde versus medizinische Forschung" unklar ist, können die Expertengremien von DRG (siehe "Klinische Studienkoordination" der DRG, unter deren Dach auch die Experten der DGN für nuklearmedizinische Fragestellungen vertreten sind), oder DEGRO hinzugezogen werden. Die rechtsverbindliche Entscheidung über die Notwendigkeit einer Genehmigung gemäß § 23 StrlSchV bzw. § 28a RöV durch das BfS bleibt von deren Beratungsergebnissen unberührt.
Stand: 09.01.2018

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