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Erhöht Radonexposition das Hautkrebsrisiko? - Stellungnahme zu einer Veröffentlichung in der Zeitschrift "Environmental Health Perspectives"

  • Langjähriger Aufenthalt in Räumen mit erhöhter Radonkonzentration erhöht das Risiko an Lungenkrebs zu erkranken. Dies belegen neben Uranbergarbeiter-Studien auch Studien zur Radonbelastung in Wohnräumen. Bisher ist nicht geklärt, ob Radon zur Krebsentstehung an anderen Organen als der Lunge beiträgt.
  • Bei Radonexposition resultiert die höchste Strahlendosis für die Lunge. Aber auch die Strahlendosen für die restlichen Atemwege und die Haut können relativ hoch sein.
  • Forscher des Schweizerischen Tropen- und Public Health-Instituts (Swiss TPH) fanden nun einen statistisch signifikanten Zusammenhang zwischen dem Risiko an einem malignen Melanom zu versterben und der Radonexposition am Wohnort (Vienneau et al. 2017).
  • In der Studie wurden allerdings relevante Risikofaktoren für Hautkrebs, die auch in Zusammenhang mit der Radonexposition stehen könnten, nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt. So ist insbesondere die Qualität der Abschätzung der UV-Exposition - dem wichtigsten Risikofaktor für das maligne Melanom - zweifelhaft. Deshalb ist unklar, ob das beobachtete erhöhte Melanomrisiko ursächlich auf die langjährige Radonexposition zurückgeht. Auch die Radonexposition wurde nur ungenau abgeschätzt.
  • Darüber hinaus spiegelt das Sterberisiko bei Hautkrebs das Erkrankungsrisiko nur sehr eingeschränkt wider. Insgesamt ist das Ergebnis der Studie aus diesen Gründen mit Vorsicht zu interpretieren.

Die Schweiz weist nach Angaben der Autoren der Studie nach Australien und Neuseeland die dritthöchste altersstandardisierte Inzidenzrate für das maligne Melanom auf. Eine Erklärung dafür könnte die Zunahme der UV-Exposition mit zunehmender Höhe über dem Meeresspiegel sein. UV-Exposition ist bekanntermaßen der wichtigste Risikofaktor für Hautkrebs allgemein und auch für die bösartigste Form, das maligne Melanom.

Aber auch die mittlere Radonexposition ist in der Schweiz aufgrund ihrer Geologie höher auf als in anderen europäische Staaten. Die aus der Radonexposition resultierende Strahlendosis für die Haut ist zwar sehr viel geringer als die Strahlendosis für die Lunge, doch sie ist nach heutigem Wissenstand deutlich höher als die Dosis für alle anderen Organe außerhalb des Atemtrakts. Daher untersuchen die Autoren der Studie, ob die vergleichsweise hohe Melanom-Rate auch mit der Radonexposition in der Schweiz zusammenhängt.

StudiendesignEinklappen / Ausklappen

Die Studie basiert auf Daten der Schweizerischen Nationalen Kohortenstudie, für die Daten aus dem schweizerischen Zensus mit Mortalitätsdaten verknüpft werden. In die Auswertung gingen die Daten von mehr als fünf Millionen Personen ein. Diese waren bei Studienbeginn mindestens 20 Jahre alt. Im Beobachtungszeitraum - Dezember 2000 bis Dezember 2008 - traten nach Angaben auf Totenscheinen 1.900 Todesfälle wegen malignem Melanom auf.

Die häusliche Radonexposition einer Person wurde mit Hilfe eines Modells bestimmt, das die Radonkonzentration für diejenige Wohnung abschätzte, in der die Person zum Studienbeginn lebte. Dieses Modell wurde anhand von 45.000 Messungen entwickelt und berücksichtigt die Gebäudecharakteristik und die geologische Beschaffenheit an der Wohnadresse.

Für die Bestimmung der UV-Exposition einer Person wurde ebenfalls ein modellierter Wert verwendet, der sich auf die Wohnadresse bei Studienbeginn bezieht. Das Modell berücksichtigt neben UV-Index-Messungen auch verschiedene Umgebungsmerkmale.

ErgebnisseEinklappen / Ausklappen

Das Risiko, an einem malignen Melanom zu versterben, erhöhte sich in der Studie pro 100 Bq/m³ Radonkonzentration bei den 60-Jährigen um 16 % (95 %-Konfidenzintervall: 4 % - 29 %). Für Personen dieser Altersgruppe, die 1990 und 2000 die gleiche Adresse hatten, lag die Risikoerhöhung mit 20 % (95 %-Konfidenzintervall: 5 % - 38 %) etwas höher. Die beobachtete Risikoerhöhung in Abhängigkeit von der Höhe der Radonkonzentration nahm tendenziell mit dem Alter ab. So ergab die Auswertung, dass sich das Risiko, im Alter von 30 Jahren an einem malignen Melanom zu versterben, mehr als doppelt so stark erhöht wie bei den 60-Jährigen, nämlich um 41 % (95 %-Konfidenzintervall: 9 % bis 80 %) pro 100 Bq/m³ Zunahme der Radonkonzentration.

Bei der Auswertung wurden zusätzlich Familienstand, Bildungsstand, Sozialstatus der Wohngegend, Muttersprache und das Ausüben einer beruflichen Tätigkeit im Freien berücksichtigt. Die Berücksichtigung dieser Faktoren wirkte sich praktisch nicht auf die Ergebnisse zum Radonrisiko aus. Ein Zusammenhang zwischen der modellierten UV-Exposition und der Sterblichkeitsrate durch das maligne Melanom zeigte sich jedoch nur, wenn diese Faktoren in die Auswertung eingingen, sonst nahm das relative Risiko für die 60-Jährigen mit der modellierten UV-Exposition nicht zu.

Zusätzlich zum Risiko für das maligne Melanom untersuchten Vienneau und ihre Kollegen auch das Sterberisiko für nicht-melanozytären Hautkrebs. Da der nicht-melanozytäre Hautkrebs (also z.B. das Basalzellkarzinom und das Plattenepithelkarzinom) ein relativ niedriges Sterblichkeitsrisiko aufweist, sind die Fallzahlen dafür sehr niedrig. Zwischen der Sterblichkeitsrate durch nicht-melanozytären Hautkrebs und Radonexposition ergab sich für die 60-Jährigen kein statistisch signifikanter Zusammenhang. Entsprechende Risiken für andere Altersgruppen werden in der Publikation nicht berichtet. Bei den 60-Jährigen mit gleicher Adresse 1990 und 2000 ergab sich sogar eine - allerdings statistisch nicht signifikante - Abnahme des Risikos um 16 %. Auch zwischen der modellierten UV-Exposition und der Sterblichkeitsrate durch nicht-melanozytären Hautkrebs fand die Studie keinen statistisch signifikanten Zusammenhang.

Vergleich mit anderen StudienEinklappen / Ausklappen

Dies ist - soweit bekannt - die erste epidemiologische Studie, die einen statistisch signifikanten Zusammenhang zwischen häuslicher Radonbelastung und dem Sterberisiko durch malignes Melanom findet.

Ein geringfügiger - statistisch nicht signifikanter - Anstieg des Melanom-Risikos mit der Radonbelastung wurde in zwei früheren Studien gefunden. Eine davon, eine dänische Kohortenstudie (Bräuner et al. 2015), die das Erkrankungsrisiko von mehr als 50.000 Studienteilnehmern untersuchte, berücksichtigte bei der Modellierung der individuellen Radonexposition auch frühere Wohnadressen und die Wohndauer. Zudem gingen neben dem individuellen Sozialstatus auch Angaben zum Hauttyp und zum Freizeitverhalten in die Auswertung mit ein. Wurden diese Angaben nicht berücksichtigt, war die Risikoerhöhung statistisch signifikant.

In Studien, die im Unterschied zu Vienneau et al. (2017) nicht das Sterberisiko, sondern das Erkrankungsrisiko untersuchten, wurden statistisch signifikante Zusammenhänge zwischen Radonbelastung und verschiedenen Arten von nicht-melanozytärem Hautkrebs gefunden. Die meisten dieser Studien waren sogenannte ökologische Studien, d.h. sie verwendeten räumlich zusammengefasste Daten wie regionale Krebsraten und mittlere Radonkonzentration in einem Postleitzahlenbezirk. Sie haben daher nur eine geringe Aussagekraft. Aber auch in der oben genannten dänischen Kohortenstudie zeigte sich ein statistisch signifikanter Zusammenhang zwischen individuell modellierter Radonkonzentration und dem Erkrankungsrisiko für das Basalzellkarzinom. Allerdings war dieser Zusammenhang nur bei Personen, die in Etagenwohnungen wohnten, statistisch signifikant, nicht bei Bewohnern von freistehenden Häusern. Da die Radonkonzentrationen und ihre Schwankungsbreite in Etagenwohnungen vermutlich kleiner sind als in freistehenden Häusern, gibt es Zweifel, ob es sich um einen ursächlichen Zusammenhang handelt.

Die Radonkonzentrationen untertage im Uranbergbau sind im Allgemeinen deutlich höher als in Wohnräumen. Die Anzahl von Lungenkrebsfällen unter den Uranbergarbeitern ist auffallend hoch. Hinsichtlich Hautkrebs gibt es keine entsprechenden Beobachtungen. So gibt es unter den fast 30.000 verstorbenen Bergarbeitern der deutschen Uranbergarbeiter-Kohorte 3.942 Lungenkrebs-Todesfälle und 69 Todesfälle durch malignes Melanom. Sonstiger Hautkrebs ist bei weiteren 18 Bergarbeitern in der Kohorte die Todesursache. Die Melanom-Sterblichkeit unterscheidet sich in keiner der Uranbergarbeiter-Kohorten, in denen sie untersucht worden ist, statistisch signifikant von der Allgemeinbevölkerung (Darby et al. 1995, Kreuzer et al. 2008, Tomasek et al. 1993). In der tschechischen Kohorte ist sie lediglich 15 bis 24 Jahre nach Expositionsbeginn statistisch signifikant erhöht. Es traten aber nur sechs Fälle auf und es gibt keinen Hinweis auf eine Dosis-Wirkungsbeziehung. Eine weitere tschechische Studie (Kulich et al. 2011) fand Hinweise auf einen Anstieg des Erkrankungsrisikos für das maligne Melanom mit der Radonexposition.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass es zwar verschiedene schwache Hinweise auf einen Zusammenhang zwischen Radonexposition und Hautkrebsrisiko gibt, aber keinen eindeutigen Beleg. Die bisher durchgeführten Studien zur häuslichen Radonexposition basieren weder auf individuellen Radonmesswerten noch auf aussagekräftigen individuellen Angaben zu anderen Risikofaktoren, insbesondere UV-Exposition. Die Ergebnisse der Bergarbeiter-Studien legen nahe, dass das Hautkrebsrisiko, falls vorhanden, pro Einheit Radonexposition deutlich geringer ist als das Lungenkrebsrisiko.

Bewertung der StudieEinklappen / Ausklappen

Stärken der Studie von Vienneau et al. (2017) sind die große Variationsbreite von Radon- und UV-Exposition in der Schweiz und der große Stichprobenumfang, der es prinzipiell erlaubt, auch relativ kleine Risikoerhöhungen zu entdecken. Zudem liegen individuelle Abschätzungen der Radonexposition und individuelle Angaben zur Todesursache vor.

Fraglich ist jedoch, wie gut die modellierte Radonkonzentration an der Wohnadresse zu Studienbeginn die langjährige Radonexposition der Studienteilnehmer repräsentiert. Zudem gibt es eine Reihe von Faktoren, die das Hautkrebs-Sterberisiko entscheidend beeinflussen können. So sind intermittierende UV-Exposition, d. h. zum Beispiel Urlaubsreisen mit hoher UV-Exposition bei nicht vorgebräunter Haut, die Anzahl der Muttermale und die Anzahl der Sonnenbrände wichtige Risikofaktoren für das maligne Melanom (S3-Leitline Prävention von Hautkrebs 2014). Die Sterblichkeit hängt zudem davon ab, wie frühzeitig Hautkrebs entdeckt und behandelt wird. Wie mehrere Studien zeigen, ist das Hautkrebsrisiko bei Personen mit hohem Sozialstatus höher als bei Personen mit niedrigerem Sozialstatus. Manche dieser Faktoren werden in der Studie überhaupt nicht berücksichtigt, bei anderen liegen nur sehr grobe Informationen vor. Sollten einer oder mehrere dieser Faktoren auch mit den modellierten Radonexpositionen zusammenhängen, könnte sich fälschlicherweise ein Zusammenhang zwischen Radonexposition und Hautkrebsrisiko ergeben oder dieser zumindest überschätzt werden. So wurde in der dänischen Studie (Bräuner et al. 2015) das auf Radonexposition zurückzuführende Melanom-Risiko deutlich überschätzt, wenn entsprechende Angaben nicht berücksichtigt wurden.

Die Methoden und die Ergebnisse der Studie sind in der Publikation an vielen Stellen leider nur ungenau beschrieben. Dies erschwert die Beurteilung der Aussagekraft der Studie. Insbesondere wäre eine Angabe des Risikos und der Anzahl der Todesfälle in verschiedenen Kategorien der Radonexposition hilfreich. Da in der Studie eine starke Interaktion zwischen Alter und Radonexposition besteht, wäre es sinnvoll, wenn die Publikation auch entsprechende Angaben für verschiedene Alterskategorien enthalten würde.

Es lässt sich insgesamt feststellen, dass auch diese Studie keinen Beleg dafür liefert, dass langjährige Radonbelastung in Wohnräumen das Melanom-Risiko erhöht, da nicht klar ist, ob die in der Studie beobachtete Risikoerhöhung für das maligne Melanom ursächlich auf die langjährige Radonbelastung zurückgeht. Dennoch gibt die Studie einen Hinweis darauf, dass ein Zusammenhang zwischen Radonbelastung in Wohnräumen und dem Melanom-Risiko bestehen könnte.

Die Hypothese, dass Radonbelastung in Wohnräumen das Risiko für nicht-melanozytären Hautkrebs erhöht, wird durch die Studie nicht gestützt: Das Sterberisiko stieg in der Studie mit der Radonbelastung nicht statistisch signifikant an und bei Personen, die 1990 und 2000 an der gleichen Adresse lebten, nahm es sogar tendenziell ab. Nicht-melanozytärer Hautkrebs führt selten zum Tod. Daher sind Daten zur Todesursache ohnehin nicht gut geeignet, um diesen Zusammenhang zu untersuchen.

Fazit

Die Studie liefert keinen Beleg dafür, dass Radon in Wohnräumen das Hautkrebsrisiko erhöht. Da erhöhte Radonexposition nach heutigem Kenntnisstand jedoch zu relativ hohen Strahlendosen für die Haut führen kann, kann eine Erhöhung des Hautkrebsrisikos allerdings auch nicht ausgeschlossen werden. Dafür sprechen auch vereinzelte Beobachtungen aus epidemiologischen Studien. Die Ergebnisse aus Uranbergarbeiter-Studien legen jedoch nahe, dass das mögliche Hautkrebsrisiko pro Dosiseinheit deutlich geringer ist als das Lungenkrebsrisiko. Empfehlungen zur Verringerung der Radonkonzentration in Wohnungen, die auf dem Wissen zum Lungenkrebsrisiko beruhen, behalten daher ihre Gültigkeit. Unabhängig von den Ergebnissen der schweizerischen Studie steht fest, dass Radon ein nicht zu vernachlässigendes Gesundheitsproblem darstellt.

Sollte Radon zudem einen Risikofaktor für Hautkrebs darstellen, wäre dies zum Beispiel für die Festlegung des Dosiskonversions-Faktors relevant. Dieser dient dazu, die Radonkonzentration in die gesundheitlich relevante Strahlendosis umzurechnen und spielt zum Beispiel auch für Grenzwerte im beruflichen Bereich eine Rolle. Er wird zurzeit von der internationalen Strahlenschutzkommission überarbeitet. Darüber hinaus wäre ein möglicher ursächlicher Zusammenhang zwischen Radonexposition und Hautkrebs auch für die Entschädigung von Berufskrankheiten von Bedeutung.

Wie die Studien zu Radonbelastung in Wohnungen und Lungenkrebsrisiko gezeigt haben, sind aussagekräftige Ergebnisse jedoch nur von aufwändigen epidemiologischen Studien mit Erhebung umfangreicher individueller Daten zu erwarten.

Stand: 09.08.2018

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© Bundesamt für Strahlenschutz