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Wismut Uranbergarbeiter-Kohortenstudie

Öffnung der Wismut-Daten für externe Wissenschaftler

Die deutsche Wismut Uranbergarbeiter-Kohortenstudie ist eine der größten Kohortenstudien zu Bergarbeitern, die beruflich gegenüber Radon und seinen Folgeprodukten exponiert waren.

Zahlreiche Ergebnisse dieser Stude wurden publiziert (z.B. Kreuzer et al., 2018; Walsh et al. 2015; Publikationsliste). Externe Wissenschaftler können die Daten anfordern, um weitere Forschungsfragen zu untersuchen (Einzelheiten siehe Opening of the Wismut Data for External Researchers; Call for Proposals, in englischer Sprache).

Die Wismut-Studie ist eine der weltweit größten Kohortenstudien beruflich radonbelasteter Bergarbeiter. Sie umfasst knapp 59.000 männliche Beschäftigte, die im Uranerzbergbau in der ehemaligen DDR zwischen 1946 und 1990 tätig waren. Das Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) führt diese Studie seit 1993 durch mit dem Ziel, die gesundheitlichen Folgen der beruflichen Strahlen- und Staubbelastung wissenschaftlich aufzuarbeiten. Aufgrund ihres Umfangs, des langen Beobachtungszeitraums und der Fülle vorhandener Informationen zu verschiedenen Risikofaktoren ist die Studie einzigartig. Sie erlaubt die Untersuchung einer Vielzahl von Fragestellungen. Die bisherigen Ergebnisse wurden in zahlreichen Publikationen veröffentlicht. Das BfS stellt die Daten auf Antrag externen Wissenschaftlern zur Bearbeitung eigener Fragestellungen zur Verfügung.

Die Wismut

Bergarbeiter unter Tage beim Bohren im Wasser stehend Wismutarbeiter unter TageBergarbeiter unter Tage beim Bohren im Wasser stehend

Der Bergbau hat in Sachsen und Thüringen eine jahrhundertealte Tradition. Im südlichen Erzgebirge wurden neben Silber, Kobalt und Wismut auch Kupfer, Nickel und Zinn abgebaut. Nach dem Zweiten Weltkrieg kam in großem Umfang der Abbau und die Verarbeitung von Uranerz hinzu. Dies geschah zunächst auf Befehl der sowjetischen Militär-Administration, die das Uran für ihr Atombombenprogramm benötigte. Die gesamte Operation erfolgte anfangs unter strenger Geheimhaltung.

Betreiber des Abbaus war eine Sowjetische Aktiengesellschaft mit dem Decknamen "Wismut", später die "Sowjetisch-Deutsche Aktiengesellschaft (SDAG) Wismut". Während der gesamten Betriebszeit wurden etwa 231.000 Tonnen Uranerz gefördert. Die Deutsche Demokratische Republik (DDR) war damit bis 1990 der drittgrößte Uranerz-Produzent der Welt. Zwischen 1946 und 1990 waren etwa eine halbe Million Personen im sächsisch-thüringischen Uranbergbau beschäftigt. Nach der Wiedervereinigung stellte die Wismut den Uranerz-Abbau ein.

Arbeitsbedingungen

Bildcollage: Bergarbeiter unter Tage Wismutarbeiter unter Tagevon links: In den ersten Jahren hatten Strahlungsmessungen ausschließlich das Ziel, abbauwürdige Erzpartien zu finden; Sprühanlagen zur Staubbekämpfung bei Ladearbeiten im Bergbau; Mechanisierte Bohrarbeiten im Erzabbau.

In den ersten Jahren des Uran-Abbaus gab es noch keine wirksamen Strahlenschutz-Vorschriften. Zusätzlich zu den schweren körperlichen Arbeitsbedingungen unter Tage und der Belastung durch Erz- und Gesteinsstäube waren die Bergleute in den Anfangsjahren hohen Strahlenexpositionen ausgesetzt, vor allem durch das radioaktive Edelgas Radon und seine Folgeprodukte. Zeitlich lassen sich die Arbeitsbedingungen bei der Wismut in drei Zeitperioden einteilen:

"Die wilden Jahre" (1946 bis 1954)

  • viele Bergleute (circa 100.000),
  • hohe Strahlenexposition,
  • kein etablierter Strahlen- und Arbeitsschutz,
  • Trockenbohrungen mit hoher Staubbelastung,
  • keine Radonmessungen,
  • natürliche Bewetterung.

Übergangsperiode (1955 bis 1970)

  • 30.000 bis 40.000 Bergleute,
  • breites Expositionsspektrum,
  • beginnender Strahlen- und Arbeitsschutz,
  • Nassbohrungen,
  • Radonmessungen in Objekten und Schächten,
  • künstliche Belüftung durch Hauptgrubenlüfter.

Konsolidierungsperiode (1971 bis 1989)

  • konstante Anzahl von circa 20.000 Bergleuten,
  • niedrige Strahlenexposition
  • internationale Strahlenschutzstandards,
  • individuelle Strahlenschutzüberwachung,
  • Messung der Radon-Folgeprodukte in der Raumluft.

Gesundheitliche Folgen

Die schweren Arbeitsbedingungen und die hohe Strahlenexposition insbesondere in den Anfangsjahren führten zu gesundheitlichen Beeinträchtigungen.

Im Zeitraum von 1952 bis 1990 wurden 5.275 Lungenkrebserkrankungen und 14.592 Silikose-Erkrankungen bei Wismut-Beschäftigten als Berufskrankheit anerkannt. Nach der Wiedervereinigung kamen von 1991 bis 2014 ca. 3800 weitere Lungenkrebserkrankungen und ca. 2500 weitere Silikose-Erkrankungen hinzu, die der gesetzlichen Unfallversicherung gemeldet wurden.

Die Aufarbeitung der gesundheitlichen Folgen einer Beschäftigung bei der Wismut ist eine zentrale Aufgabe des Strahlenschutzes in Deutschland. Dadurch lassen sich auch mögliche zukünftige Risiken durch Strahlenexpositionen abschätzen und neue Erkenntnisse für den Arbeits- sowie Strahlenschutz ableiten.

Kohortenstudie

Das BfS führt seit 1993 mit Unterstützung des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit (BMU) die deutsche Uranbergarbeiterstudie durch. Dafür hat das BfS in Zusammenarbeit mit der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV) nach wissenschaftlichen Kriterien eine Zufallsstichprobe von ca. 59.000 ehemaligen Wismut-Arbeitern zusammengestellt, die in die Kohortenstudie aufgenommen wurden. Für jede Person in der Kohorte wurde in einem langwierigen Prozess auf der Basis von Arbeitsunterlagen ermittelt, wie hoch die Strahlenexposition war, der sie im Zuge ihrer Tätigkeit ausgesetzt war. Zum anderen wird regelmäßig der Vitalstatus der Personen ermittelt, d.h. wie viele der Personen zu einem bestimmten Stichtag leben oder verstorben sind. Bei den Verstorbenen wird wiederum versucht, die Todesursache herauszufinden. Diese Abfrage geschieht alle fünf Jahre über Einwohnermeldeämter und Gesundheitsämter (sogenanntes "Follow-Up").

Aktuell sind folgende Follow-Up-Recherchen abgeschlossen:

  • erstes Follow-Up mit Stichtag 31.12.1998,
  • zweites Follow-Up mit Stichtag 31.12.2003,
  • drittes Follow-Up mit Stichtag 31.12.2008,
  • viertes Follow-Up mit Stichtag 31.12.2013.

Für jede Person wurde festgestellt, wann und wie lange sie welche Tätigkeit an welchem Arbeitsort ausgeübt hat. Daraus wurden für jedes Tätigkeitsjahr individuelle Expositionswerte mittels einer Job-Exposure-Matrix (JEM) für verschiedene Risikofaktoren ermittelt. Die wichtigsten Risikofaktoren sind Radon und seine Folgeprodukte sowie Quarzfeinstaub. Daneben sind langlebige Radionuklide aus dem Uranstaub, externe Gamma-Strahlung und Arsenstaub zu nennen.

Anhand der Daten aus der Kohortenstudie kann das Risiko bzw. die Wahrscheinlichkeit bestimmt werden, an einer bestimmten Krankheit in Abhängigkeit von der beruflichen Strahlen- oder Staubbelastung zu versterben. Für Lungenkrebserkrankungen ist ein Zusammenhang zur Radonexposition bereits durch Bergarbeiterstudien in anderen Ländern nachgewiesen worden. Eine Reihe wichtiger Fragen konnte in bisherigen Studien jedoch nicht befriedigend beantwortet werden: Hierzu zählen die Frage nach dem gesundheitlichen Risiko bei niedrigen Dosen, die Frage nach der gemeinsamen Wirkung von Radon mit Staub und Arsen oder die Frage, ob Radon auch an der Entstehung anderer bösartiger Erkrankungen (z. B. Krebserkrankungen im Nasen-Rachen-Raum oder Leukämie) oder Nicht-Krebserkrankungen beteiligt ist.

Aktuell wird ein Pooling-Projekt ("PUMA" – Pooled Uranium Miners Analysis) durchgeführt, bei dem die Daten aus europäischen, amerikanischen und kanadischen Uranbergarbeiter-Kohortenstudien zusammengeführt und gemeinsam ausgewertet werden.

Ergebnisse der Kohortenstudie

LungenkrebsEinklappen / Ausklappen

In der Wismut-Kohorte steigt das Risiko für Lungenkrebsmortalität mit zunehmender Radonexposition proportional an (Walsh et al., 2010). Als Einheit für die Radonexposition wird bei Bergarbeitern das sogenannte Working Level Month (WLM) verwendet. Dieses ist das Produkt aus der potenziellen Alphaenergiekonzentration – oder, vereinfacht ausgedrückt, der Radonkonzentration in einem Liter Luft – und der Zeit, die ein Bergarbeiter in dieser Umgebung gearbeitet hat.

Die Wismut-Beschäftigten aus der Kohorte waren Radonexpositionen zwischen 0 (etwa 8.000 Personen) und 3.224 WLM ausgesetzt mit durchschnittlich 280 WLM. Bei einer Belastung von 2.000 WLM ergab sich eine Vervierfachung des Lungenkrebsrisikos im Vergleich zu Personen ohne Radonexposition. Dieser radonbedingte Risikoanstieg hängt jedoch zusätzlich ab von weiteren Faktoren wie der Zeit seit Exposition, dem Alter und der Expositionshöhe. So ist der Anstieg des Lungenkrebsrisikos pro WLM 5 bis 14 Jahre nach Exposition und bei den unter 55-Jährigen am höchsten. Mit zeitlichem Abstand zur Exposition halbiert er sich etwa alle zehn Jahre, bleibt aber auch nach 35 Jahren noch statistisch signifikant erhöht, und mit zunehmendem Alter sinkt er alle zehn Jahre um etwa 30 %. Zudem ergibt sich ein höheres Risiko, wenn die Exposition über einen längeren Zeitraum verteilt ist, als wenn sie über einen kürzeren Zeitraum einwirkt.

Eine Auswertung der Daten zur Lungenkrebs-Sterblichkeit für die Uranbergarbeiter, die erst ab 1960 beschäftigt und damit relativ niedrigen Radonkonzentrationen ausgesetzt waren, zeigte auch im Niedrigdosisbereich einen statistisch signifikanten Zusammenhang zwischen Lungenkrebssterblichkeit und kumulativer Radonexposition (Kreuzer et al. 2015). Die durchschnittliche gesamte Radonexposition betrug für diese Bergarbeiter nur 17 WLM, also deutlich weniger als ein Zehntel der durchschnittlichen Radonexposition in der Gesamt-Kohorte.

Neben der beruflichen Radonexposition als Risikofaktor für Lungenkrebssterblichkeit wurde zusätzlich die berufliche Quarzfeinstaubexposition untersucht (Sogl et al., 2012). Als Expositionseinheit wurden Staubjahre (mg/m³-Jahre) verwendet, wobei ein Staubjahr definiert ist als 1 mg/m³ Quarzfeinstaub über 220 Arbeitsschichten à 8 Stunden. Die Gesamt-Quarzfeinstaubexposition der Kohorten-Mitglieder liegt zwischen 0 und 56 Staubjahren. Auch für Quarzfeinstaub wurde eine statistisch signifikante Zunahme des Lungenkrebsrisikos mit der Höhe der Staubexposition festgestellt. Berücksichtigt man bei der Analyse die zusätzlichen Risikofaktoren Radon und Arsen, ist bis zu einer Staubexposition von 10 Staubjahren keine statistisch signifikante Erhöhung des Lungenkrebsrisikos zu beobachten. Ab einer Gesamtquarzfeinstaubexposition von 10 Staubjahren steigt das Risiko linear um 6,1 % je Staubjahr. Die Effekte von Radon und Quarzfeinstaub verhalten sich eher additiv als multiplikativ zueinander.

LeukämieEinklappen / Ausklappen

Leukämie ist eine der bekanntesten Spätfolgen einer Strahlenexposition. Die Abschätzung des Leukämierisikos basierte lange Zeit fast nur auf der Studie an den Atombombenüberlebenden von Hiroshima und Nagasaki. Diese Personen waren im Wesentlichen einmalig einer hohen Dosis locker-ionisierender Strahlung ausgesetzt. Die kürzlich veröffentlichten Ergebnisse einer Studie an Nukleararbeitern (INWORKS-Studie) zeigten ein erhöhtes Leukämierisiko bei Personen mit einer lang andauernden relativ niedrigen Strahlenexposition (Leuraud et al. 2015). Auch hier wurde der Einfluss von locker-ionisierender Strahlung untersucht.

Die Strahlenexposition der Wismut-Bergarbeiter resultiert vor allem aus der Exposition durch Radon und seine Folgeprodukte, die zu einer inneren Strahlenexposition bei Inhalation führen. Die Dosis geht überwiegend auf Alpha-Strahlung zurück, die beim Zerfall der radioaktiven Folgeprodukte entsteht (dicht-ionisierende Strahlung). Die Bergarbeiter waren aber auch einer äußeren Strahlenexposition, insbesondere durch Gammastrahlung, ausgesetzt (locker-ionisierende Strahlung). Mit einem Durchschnittswert von knapp 50 Millisievert liegt diese äußere Strahlenexposition der jemals exponierten Wismut-Bergarbeiter im Unterschied zur Radonexposition insgesamt im Niedrigdosisbereich.

Die Wismut-Studie bietet daher die Möglichkeit, den Einfluss lang andauernder Strahlenexposition auf das Leukämierisiko zu untersuchen und zwar sowohl den Einfluss von locker-ionisierende Strahlung (wie bei den Atombombenüberlebenden und den Nukleararbeitern) als auch den Einfluss von dicht-ionisierender Strahlung. Zum Einfluss dicht-ionisierender Strahlung, wie sie bei Exposition durch Radon und seine Folgeprodukte auftritt, gibt es bisher kaum Befunde.

Zur Untersuchung des Leukämierisikos in der Wismut-Kohorte (Kreuzer et al., 2017) wurde die Dosis für das rote Knochenmark abgeschätzt und zwar sowohl die Dosis, die aus locker-ionisierender Strahlung resultiert, als auch die Dosis, die aus dicht-ionisierender Strahlung resultiert. Da Befunde aus mehreren epidemiologischen Studien nahelegen, dass sich das strahlenbedingte Risiko für chronisch lymphatische Leukämie (CLL) vom strahlenbedingten Risiko anderer Arten von Leukämieerkrankungen deutlich unterscheidet, wurde das Risiko für chronisch lymphatische Leukämie (CLL) getrennt ausgewertet.

Das Sterberisiko für Leukämie (ohne CLL) steigt in der Wismut-Kohorte sowohl mit der Dosis durch locker-ionisierende als auch mit der Dosis durch dicht-ionisierende Strahlung an, allerdings ist dieser Anstieg nicht signifikant. Betrachtet man einzelne Arten von Leukämie-Erkrankungen, zeigt sich ein signifikanter Zusammenhang zwischen der Dosis durch locker-ionisierende Strahlung und chronisch myeloischer Leukämie (CML) und zwischen der Dosis durch dicht-ionisierende Strahlung und myeloischer Leukämie (ML) (chronische und akute myeloische Leukämie als Gesamtgruppe). Zwischen dem Sterberisiko für chronische lymphatische Leukämie und der Strahlenexposition zeigt sich kein Zusammenhang - weder für die Dosis durch locker-ionisierende Strahlung noch für die Dosis durch dicht-ionisierende Strahlung.

Interessanterweise zeigte sich auch in der genannten Studie zum Krebsrisiko von Nukleararbeitern (INWORKS-Studie) für chronisch myeloische Leukämie die deutlichste Risikoerhöhung in Abhängigkeit von locker-ionisierender Strahlung.

In der Wismut-Studie steigt das Leukämie-Risiko bedeutend stärker an mit der Dosis durch dicht-ionisierende Strahlung, die überwiegend auf Radon und seine Folgeprodukte zurückgeht, als mit der Dosis durch locker-ionisierende Strahlung. Ob sich dies auch in anderen Studien beobachten lässt, bleibt abzuwarten.

Extrapulmonale TumorenEinklappen / Ausklappen

Radon ist ein radioaktives Edelgas. Die höchste Strahlendosis erhält die Lunge, in etwas geringerem Umfang ist der Hals-Nasen-Rachenraum betroffen. Nur ein sehr kleiner Teil des Radons und seiner Folgeprodukte gelangt in das Blut und damit in andere Organe. Von daher ist – wenn überhaupt – mit einer relativ geringen Risikoerhöhung für Tumoren außerhalb des Atemtraktes zu rechnen. Um ein kleines vorhandenes Risiko statistisch signifikant nachweisen zu können, benötigt man große Beobachtungsstudien an hoch radonbelasteten Personen. Bisher veröffentlichte Bergarbeiterstudien gaben keine Hinweise auf ein erhöhtes Risiko für Tumoren außerhalb der Lunge (extrapulmonale Tumoren) durch Radon. Diese Studien waren aber vom Studienumfang her zu klein, um stabile Aussagen zum radonbedingten Risiko für diese Tumoren machen zu können. Der Wismut-Studie kommt deshalb auch bei der Klärung dieser Frage große Bedeutung zu.

Die bisherigen Auswertungen zur Wismut-Kohorte zeigten zwar für die Mehrzahl der untersuchten Tumorlokalisationen außerhalb der Lunge einen Anstieg des Risikos mit zunehmender Radonexposition, aber nach Berücksichtigung der zusätzlichen Belastung durch Staub, externe Gamma-Strahlung und langlebige Radionuklide war keine der Erhöhungen mehr statistisch signifikant (Kreuzer et al., 2008, Walsh et al. 2010). Einzig für die Gruppe der Tumoren der oberen Atemwege (Mund, Nase, Rachen, Kehlkopf und Luftröhre) war im Beobachtungszeitraum 1946-2003 (177 Sterbefälle) ein statistisch signifikanter positiver Zusammenhang beobachtet worden (Kreuzer et al., 2010). Nach Erweiterung des Follow-Up-Zeitraums bis 2008 (234 Sterbefälle) war zwar nach wie vor eine Risikoerhöhung zu finden, diese war aber nicht mehr statistisch signifikant (Kreuzer et al., 2014).

Generell zeigte sich hinsichtlich Strahlung kein signifikanter Zusammenhang zwischen der jeweils relevanten Organdosis (getrennt nach Alpha- und Nicht-Alphastrahlung) und der Sterblichkeit durch Magenkrebs (n=592) (Kreuzer et al., 2012), Leberkrebs (n=159) (Dufey et al., 2013), oder Nierenkrebs (n=174) (Drubay et al., 2014). Das Gleiche gilt für die Exposition durch Quarzfeinstaub bzw. Arsenstaub.

Herz-Kreislauf-ErkrankungenEinklappen / Ausklappen

Bisher ging man davon aus, dass die Schäden durch ionisierende Strahlung hauptsächlich das Krebsrisiko betreffen. Inzwischen gibt es jedoch vermehrt Hinweise auf ein erhöhtes Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen auch im Niedrigdosisbereich – zum Beispiel aus der Studie an den Atombombenüberlebenden von Hiroshima und Nagasaki.

Wenige und inkonsistente Befunde liegen aus Bergarbeiterstudien vor. Im Rahmen des 3. Follow-Up der deutschen Uranbergarbeiter-Kohortenstudie (siehe Kreuzer et al., 2013) mit insgesamt 9.039 Todesfällen infolge von Herz-Kreislauf-Erkrankungen im Beobachtungszeitraum bis Ende 2008 wurde deshalb das Risiko für die Sterblichkeit durch Herz-Kreislauf-Erkrankungen in Abhängigkeit von der Gesamtdosis durch externe Gammastrahlung untersucht. Für die jemals exponierten Bergleute beträgt diese im Mittel 47 Millisievert bei einem Maximalwert von 909 Millisievert. Im Gegensatz zur Lunge liefert die Exposition durch Gammastrahlung hier den Hauptbeitrag zur Strahlendosis.

Es wurde weder für alle Herz-Kreislauf-Erkrankungen zusammengenommen, noch für die Untergruppe der ischämischen (durch Durchblutungsstörungen hervorgerufenen) Herzerkrankungen (4.613 Todesfälle) eine Risikozunahme mit der Gesamtdosis durch Gammastrahlung gefunden. In der Gruppe der an Schlaganfall Verstorbenen wurde zwar eine Erhöhung des Risikos um 44 % pro Sievert beobachtet, diese war allerdings statistisch nicht signifikant.

Silikosen und andere nicht-bösartige AtemwegserkrankungenEinklappen / Ausklappen

Von 975 Personen aus der Kohorte ist bekannt, dass sie zwischen 1946 und 2008 an Silikose verstorben sind. Die Silikose-Sterblichkeit steigt mit der kumulativen Quarzfeinstaubexposition sehr stark an (Kreuzer et al, 2013). Bei einer Belastung von über 30 mg/m³-Jahren ist sie im Vergleich zu einer Belastung von weniger als 2 mg/m³-Jahren 90-fach erhöht. Für andere untersuchte nicht-bösartige Atemwegserkrankungen, einschließlich der chronisch obstruktiven Lungenerkrankung (COPD), zeigte sich kein Zusammenhang mit der Quarzfeinstaub- oder Radonexposition.

Ausblick

Aktuell wird das Lungenkrebsrisiko in der Wismut-Kohorte mit den Daten des neuesten Follow-Up-Zeitraums 1946 - 2013 untersucht. Zudem ist die Wismut-Kohorte Teil eines weltweiten Poolings ("PUMA" – Pooled Uranium Miners Analysis) mit europäischen, amerikanischen und kanadischen Uranbergarbeiter-Kohortenstudien.

Geplant ist auch die Auswertung der Daten zu den Frauen in der Wismut-Kohorte. Da von diesen nur sehr wenige unter Tage gearbeitet haben und damit strahlenexponiert waren, wurden sie bei den bisherigen Analysen nicht berücksichtigt.

Fazit

Die deutsche Uranbergarbeiterstudie bietet die Möglichkeit, neue Erkenntnisse für den Strahlenschutz und den Arbeitsschutz zu gewinnen und die wissenschaftlichen Grundlagen für die Anerkennung von Berufskrankheiten zu erweitern.

Sowohl die berufliche Radon- als auch die Quarzfeinstaubexposition führen bei den Wismut-Beschäftigten zu einer deutlichen Erhöhung des Lungenkrebsrisikos und dies auch im Niedrigdosisbereich. Der radonbedingte Risikoanstieg hängt zusätzlich ab von Faktoren wie der Zeit seit Exposition, dem Alter bei Exposition und der Expositionsrate. Auch die Leukämie-Sterblichkeit steigt mit der Strahlenexposition an, dieser Anstieg ist jedoch nicht signifikant. Für einzelne Leukämie-Subtypen ergeben sich signifikante Zusammenhänge. Des Weiteren zeigt sich ein sehr starker Anstieg der Silikose-Sterblichkeit mit der Belastung durch Quarzfeinstaub.

Hinsichtlich der anderen untersuchten Todesursachen wurden bisher keine statistisch signifikanten Risikoerhöhungen beobachtet. Mit zunehmendem Beobachtungszeitraum ist mit wertvollen Erkenntnissen auch für Erkrankungen zu rechnen, die in der Kohorte eher selten auftreten.

Stand: 02.02.2018

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