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Fachliche Stellungnahme zu einer Studie über Mobiltelefon-Nutzung und Verhaltensprobleme bei Kindern

  • Ausgangsdatenbasis ist die dänische nationale Geburtskohortenstudie.
  • Die Mütter aus dieser Kohorte, deren Kinder im Jahr 2005 oder 2006 das 7. Lebensjahr vollendeten, füllten einen Fragebogen aus, der unter anderem Fragen zu ihrer eigenen Handynutzung während der Schwangerschaft und zur Telefonnutzung des Kindes enthielt.
  • Die Studie zeigte ein erhöhtes Risiko für Verhaltensauffälligkeiten bei Kindern, die selbst das Handy nutzten, deren Mütter während der Schwangerschaft oder danach mit dem Handy telefonierten oder bei denen beides zutraf.
  • Daraus lassen sich aber keine abschließenden Schlüsse ziehen, ob die Exposition mit hochfrequenten Feldern als Ursache der Verhaltensprobleme anzusehen ist. Dagegen spricht u.a. die extrem geringe pränatale Exposition mit hochfrequenten Feldern.

Aufgrund der rasanten Verbreitung von Mobiltelefonen in den letzten Jahren stellt sich die Frage nach möglichen Gesundheitsschäden. Hierbei wird immer wieder diskutiert, ob Kinder eventuell empfindlicher sein könnten als Erwachsene, da sich ihr Organismus noch in der Entwicklung befindet und mögliche Schäden in einer frühen Entwicklungsphase gesetzt würden. Bisher gibt es kaum Untersuchungen bei Kindern oder in utero im Hinblick auf eine Exposition gegenüber Mobilfunk.

Das BfS nimmt Stellung zu einer Studie, in der ein möglicher Zusammenhang zwischen einer prä- oder postnatalen Exposition mit hochfrequenten Feldern von Handys und Verhaltensproblemen (Benehmen, Hyperaktivität, emotionale Probleme und Probleme mit Gleichaltrigen) bei Kindern untersucht wurde. Die ersten Ergebnisse wurden 2008 in der Zeitschrift Epidemiology (Divan et al. 2008), die Ergebnisse einer zweiten Analyse im Jahr 2012 im Journal of Epidemiology & Community Health (Divan et al. 2012) veröffentlicht.

StudiendesignEinklappen / Ausklappen

Ausgangsdatenbasis ist die dänische nationale Geburtskohortenstudie mit insgesamt 101.032 Geburten im Zeitraum von März 1996 bis November 2002. Die Mütter wurden während und nach der Schwangerschaft zu Lebensstilfaktoren, Rauchen während der Schwangerschaft, Ernährung und Umweltexpositionen befragt. Aus dieser Kohorte wurden alle Mütter rekrutiert, deren Kinder im Jahr 2005 oder 2006 das 7. Lebensjahr vollendeten. Diese wurden gebeten einen Fragebogen auszufüllen. Die Teilnahmerate betrug 65 Prozent (n=13.159). Der Fragebogen enthielt Fragen zu:

  • Handynutzung der Mütter während der Schwangerschaft (Anzahl der Gespräche pro Tag, prozentualer Anteil der Anschaltzeit, Benutzung von Freisprechanlagen und Aufbewahrungsort, wenn Handy nicht genutzt wurde),
  • Telefonnutzung der Kinder (Handys und schnurlose Telefone),
  • Soziale Faktoren, Lebensstil der Familie, Erkrankungen in der Kindheit, psychische Erkrankungen in der Familie etc. sowie
  • den Fragebogen zu Stärken und Schwächen ("Strengths and Difficulties Questionnaire"), der 25 Fragen zum Verhalten des Kindes beinhaltete.

Zur Quantifizierung von Verhaltensauffälligkeiten wurde ein Gesamtscore über alle 25 Fragen und jeweils ein Score zu Benehmen, Emotionale Symptome, Hyperaktivität, Probleme mit Gleichaltrigen gebildet. Dieser Score teilt sich in drei Kategorien (normal, grenzwertig und auffällig). Als statistische Auswertung wurde eine ordinale logistische Regression verwendet und als Risikoschätzer das Odds Ratio (OR) mit zugehörigem 95-Prozent-Konfidenzbereich (95 %-KI) berechnet. In allen Risikomodellen wurde für folgende mögliche Confounder (Störgrößen) adjustiert: Geschlecht des Kindes, Alter der Mutter, Rauchen während der Schwangerschaft, psychische Erkrankungen der Mutter und sozioökonomischer Status. Als Expositionsvariable wurden vier Expositionskategorien gebildet: keine Exposition durch Handynutzung, nur pränatal, nur postnatal und beides zusammen.

In einer zweiten Analyse sollten die Ergebnisse der ursprünglichen Studie überprüft werden. Dazu wurde eine weitere Gruppe von 28.745 Müttern mit Kindern der Geburtsjahre 1998 bis 2002 aus der dänischen Kohorte untersucht. Auch sie hatten einen Fragebogen zu eigenen Angaben sowie den Fragebogen zu den Stärken und Schwächen der Kinder ausgefüllt.

ErgebnisseEinklappen / Ausklappen

  1. In der ersten Analyse waren circa 49 Prozent der Kinder weder prä- noch postnatal durch Handynutzung exponiert, 14 Prozent nur pränatal, 17 Prozent nur postnatal, elf Prozent prä- und postnatal. In der späteren Analyse waren 17 Prozent prä- und postnatal exponiert und 39,5 Prozent waren überhaupt keiner Handystrahlung ausgesetzt.
  2. Etwa 93 Prozent der Kinder wurden in beiden Analysen hinsichtlich allgemeiner Verhaltensprobleme als normal eingestuft.
  3. Kinder, die jemals pränatal durch Handynutzung exponiert waren, zeigten im Vergleich zu solchen, die nie pränatal exponiert waren, ein statistisch signifikant erhöhtes Risiko für Verhaltensprobleme allgemein (OR=1,54; 95 %-KI: 1,32-1,81). Postnatal exponierte Kinder im Vergleich zu nicht postnatal exponierten Kindern zeigten ein 1,18fach signifikant erhöhtes Risiko für Verhaltensprobleme (95 %-KI: 1,01-1,38). Das höchste Risiko mit OR=1,8 (95 %-KI: 1,45-2,23) zeigten Kinder, die sowohl prä- als auch postnatal exponiert waren, im Vergleich zu solchen, die nie exponiert waren. In der zweiten Analyse lagen die Werte etwas niedriger mit OR=1,2 (95%-KI: 1,0-1,4) für postnatale Exposition, OR=1,3 (95 %-KI: 1,1-1,5) für pränatale Exposition und OR=1,5 (95 %-KI: 1,3-1,7) für prä- und postnatale Exposition.
  4. Bei Betrachtung einer Expositions-Wirkungs-Beziehung wie zum Beispiel anhand der Anzahl der Gespräche oder der Anschaltdauer des Handys wurde kein statistisch signifikanter Trend für Verhaltensprobleme mit steigender Expositionsbelastung gefunden.

Die Ergebnisse der Studie wurden von Divan et al. in Epidemiology (2008) und im Journal of Epidemiology & Community Health (2012) veröffentlicht.

BewertungEinklappen / Ausklappen

Die vorliegende Studie zeigt ein erhöhtes Risiko für Verhaltensauffälligkeiten bei Kindern, die selbst das Handy nutzten, deren Mütter während der Schwangerschaft oder danach mit dem Handy telefonierten oder bei denen beides zutraf. Inwieweit es sich hier um einen kausalen Zusammenhang zwischen der Exposition mit hochfrequenten elektromagnetischen Feldern und Verhaltensauffälligkeiten handelt, kann durch diese Studie nicht beantwortet werden. Die Autoren schlussfolgern selbst, dass die Ergebnisse mit großer Vorsicht interpretiert werden sollten.

Die beobachteten Zusammenhänge sind nicht notwendigerweise kausal und können auf anderen, in dieser Studie nicht untersuchten Faktoren beruhen. So unterschieden sich die Mütter in der höchsten Expositionsgruppe von denen in den anderen Expositionsgruppen in verschiedenen Faktoren, die im Zusammenhang mit einem erhöhten Risiko für Verhaltensstörungen bei den Nachkommen diskutiert werden wie beispielsweise geringer Sozialstatus, Vorliegen mentaler Störungen, Neurosen oder psychiatrischer Erkrankungen etc. Auch wenn dafür adjustiert wurde, ist nicht auszuschließen, dass ein residuales Confounding verbleibt, das heißt ein verzerrter Risikoschätzer auftritt, wegen ungenügender Berücksichtigung dieser potentiellen Störgrößen. Andere potentielle Confounder, wie psychiatrische Erkrankungen des Vaters oder eine frühere Bleibelastung (zum Beispiel aus dem Trinkwasser) wurden nur in der zweiten Studie bzw. gar nicht erfasst.

Grundsätzlich bleibt unklar, ob Verhaltensauffälligkeiten des Kindes mit der Strahlenbelastung während des Telefonierens oder vielmehr mit der Nutzung des Telefons durch die Mutter zusammenhängen. So wäre es zum Beispiel denkbar, dass sich eine Mutter, die viel telefoniert, insgesamt weniger um ihr Kind kümmert. Diese Hypothese sollte zwar in der zweiten Analyse untersucht werden, aufgrund mangelnder Informationen zur Mutter-Kind-Interaktion war dies aber nicht möglich.

Die spezifische Absorptionsrate (SAR-Wert) – ein Maß für die Exposition durch hochfrequente elektromagnetische Felder – im Fötus durch Handynutzung der Mutter kann anhand von anatomischen Modellen berechnet werden (siehe Cabot et al. 2014). Der Fötus wird durch den Körper der Mutter abgeschirmt und ist immer weniger exponiert als die Mutter. Auch die direkte Exposition der Kinder während des eigenen Telefonierens dürfte gering sein, da die Kinder der Kohorte das Handy relativ selten und nur über einen kurzen Zeitraum nutzten.

Fazit

Die Studie zeigt ein erhöhtes Risiko für Verhaltensauffälligkeiten bei Kindern, die selbst das Handy nutzten, deren Mütter während der Schwangerschaft oder danach mit dem Handy telefonierten oder bei denen beides zutraf. Daraus lassen sich keine abschließenden Schlüsse ziehen, ob die Exposition mit hochfrequenten Feldern als Ursache hierfür zu sehen ist. Eine mögliche Erklärung für die beobachtete Risikoerhöhung könnte Confounding durch nicht berücksichtigte andere Faktoren oder eine Fehlklassifikation von Erkrankung oder Handynutzung sein. Gegen einen Ursache-Wirkungs-Zusammenhang spricht die extrem geringe pränatale Exposition mit hochfrequenten Feldern und die Tatsache, dass es bisher keinen bekannten biologischen Wirkmechanismus gibt, der hierfür eine Erklärung geben könnte.

Bisher wurden kaum Studien zum Gesundheitsrisiko durch Mobilfunk an Kindern durchgeführt. Eine 2008 abgeschlossene Querschnittsstudie zu Befindlichkeitsstörungen durch Mobilfunk bei Kindern und Jugendlichen des Deutschen Mobilfunkforschungsprogramms erbrachte keine Hinweise auf vermehrte Befindlichkeitsstörungen durch Mobilfunk. Bezüglich einiger weniger Fragen zu Verhaltensauffälligkeiten wurden ebenfalls keine signifikant erhöhten Risiken gefunden. Da Kinder durchaus empfindlicher als Erwachsene sein könnten und Kinder von Jugend an die neue Technologie verwenden, sind weitere Studien auf diesem Gebiet zwingend nötig.

Stand: 04.10.2017

© Bundesamt für Strahlenschutz