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Studien an Tieren

Seit 1999 wurde der Einfluss hochfrequenter elektromagnetischer Felder im von Handys und drahtlosen Netzwerken genutzten Frequenzbereich (800 MHz – 2,5 GHz) auf Hoden und Sperma in über 60 Tierstudien an Nagetieren wie Ratten, Mäusen und Kaninchen untersucht. Etwa drei Viertel der Publikationen fanden mindestens in einem der vielen untersuchten Parameter einen signifikanten, häufig negativen Einfluss der elektromagnetischen Felder auf die Fruchtbarkeit. Als möglicher Wirkmechanismus wird häufig oxidativer Stress genannt.

Methodische Mängel

Die Mehrzahl der Tierstudien weist zum Teil erhebliche methodische Mängel auf:

  • In etwa einem Drittel der Studien wurde ein kommerzielles Mobiltelefon statt einer definierten Expositionsanlage als Quelle für die elektromagnetischen Felder verwendet. In einigen Fällen wurden die Tiere mit einem Mobiltelefon im Standby befeldet. In diesem Modus sendet ein Handy in Abständen von etwa einer halben Stunde bis zu mehreren Stunden ein kurzes Signal an die Basisstation und sendet ansonsten gar nicht. Die abgestrahlten elektromagnetischen Felder sind daher vernachlässigbar. [1]
  • Häufig wurde die Spezifische Absorptionsrate (SAR) nicht angegeben.
  • Es wurden häufig nur Käfigkontrollen benutzt, nicht aber auch eine Gruppe mit Scheinexposition.
  • Die Mehrzahl der Studien wurde nicht verblindet durchgeführt.
  • Zwei Drittel der Studien verwendeten sehr kleine Tierzahlen (unter 10). Die Gruppengröße ist für die statistische Auswertung der Ergebnisse wichtig. In kleinen Gruppen können individuelle Unterschiede dazu führen, dass sich Gruppen signifikant unterscheiden, ohne dass dies ursächlich etwas mit dem untersuchten Einflussfaktor zu tun hat. Andererseits haben Studien mit kleinen Gruppen eine geringe statistische Power, was bedeutet, dass ein vorhandener Effekt leicht übersehen werden kann. In der Toxikologie gilt als goldener Standard eine Gruppengröße von 32 Tieren. Diese Anforderung erfüllt nur eine Studie [2].

Ergebnisse nicht einheitlich

Die Ergebnisse der einzelnen Studien sind nicht einheitlich. Unterschiedliche Studien finden Einflüsse auf unterschiedliche Parameter, und diese verändern sich oft in entgegengesetzte Richtungen. Auf einige Parameter wird im Folgenden näher eingegangen.

  • Testosteron
    Der Gehalt des männlichen Hormons Testosteron im Blut war in einigen wenigen Fällen unverändert oder erhöht, überwiegend aber verringert. Nur eine Abnahme von Testosteron kann als Beeinträchtigung der Fruchtbarkeit interpretiert werden, aber nur dann, wenn sie mit einer verminderten Spermienqualität einhergeht.
  • Hoden
    Die Hoden und deren Gewebeparameter wurden in mehreren Studien untersucht, deren Ergebnisse widersprüchlich waren. Etwa die Hälfte der Studien beschreibt Veränderungen des Gewebes, die in einem unterschiedlichen Ausmaß auftraten und geringfügig waren oder nur mikroskopisch festgestellt werden konnten. Insgesamt sprechen diese Ergebnisse gegen einen negativen Einfluss hochfrequenter elektromagnetischer Felder auf die Hoden.
  • Spermienqualität
    Unterschiedliche Aspekte der Spermienqualität wurden ebenfalls häufig mit widersprüchlichem Ergebnis untersucht. So war zum Beispiel die Spermienzahl in den meisten Studien unverändert, vereinzelt aber auch verringert oder sogar erhöht. In vielen Fällen blieb die Spermienzahl zwar unverändert, ihre Beweglichkeit und/oder Lebensfähigkeit konnte aber geringer, unbeeinflusst oder sogar erhöht [3] sein, was für eine Verbesserung der Fruchtbarkeit sprechen würde.

    Einige Studien beschrieben eine Beeinträchtigung der Spermatogenese, in mehreren anderen wurde dies aber nicht bestätigt [4].
    Insgesamt lässt sich aus den sehr variablen Daten kein Nachweis für eine gesundheitsrelevante schädliche Wirkung elektromagnetischer Felder auf Spermien herleiten.

  • Oxidativer Stress
    Anhand des Gehaltes verschiedener Enzyme, die in den männlichen Geschlechtsorganen an oxidativen Prozessen beteiligt sind, wurde ebenfalls mehrfach untersucht, ob hochfrequente elektromagnetische Felder oxidativen Stress hervorrufen können. Dieser könnte dann einen negativen Einfluss auf die Fruchtbarkeit haben. Die Mehrzahl der Studien fand Anzeichen für oxidativen Stress, die anderen konnten keinen Einfluss zeigen. Auch aus diesen Daten lässt sich kein belastbarer Schluss ziehen.
    Mehrere aktuelle Arbeiten beschreiben oxidativen Stress unter Mobilfunk-Exposition und postulieren als Folge eine Beeinträchtigung der Fruchtbarkeit. Führend ist hier die Gruppe um Kavindra Kesari aus Indien [5, 6, 7]. Eine detaillierte Kritik der indischen Studien hat der schwedische Wissenschaftliche Rat zu elektromagnetischen Feldern veröffentlicht. Ergebnis war, dass sich die Arbeiten durch einen äußerst mangelhaften methodischen Ansatz und eine unzureichende Expositionsbestimmung auszeichnen und die Ergebnisse in sich nicht konsistent und nicht nachvollziehbar sind.
    Andere Arbeiten, ebenfalls von fragwürdiger Qualität, nehmen oxidativen Stress als Folge von Expositionen durch Handys als gegeben an und versuchen zu zeigen, dass verschiedene Antioxidantien, wie zum Beispiel Hormone [8] oder Vitamine [9], als „Gegenmittel“ wirken könnten. Die Vermutung, dass oxidativer Stress zu Erkrankungen führt, ist nach Angaben des Robert Koch Instituts nicht abschließend wissenschaftlich geklärt und die Wirksamkeit von Therapien mit Antioxidantien umstritten.

Hohe Variabilität der Ergebnisse infolge schlechter Qualität

Da die Ergebnisse sehr variabel sind, ist anzunehmen, dass die meisten der beschriebenen Effekte nur zufällige Befunde sind. Hätten elektromagnetische Felder tatsächlich einen Einfluss auf die Fruchtbarkeit, wäre zu erwarten, dass sich ein bestimmter Parameter in einer Mehrzahl der Studien immer auf eine ähnliche Weise verändert. Auch sollte eine Dosisabhängigkeit zu beobachten sein.

In vielen der vorliegenden Studien wurde anscheinend nur die normale physiologische Variabilität und nicht der tatsächliche Einfluss hochfrequenter elektromagnetischer Felder auf die Fruchtbarkeit untersucht.

Anhand von Qualitätskriterien ausgewählte Studien:

Im Folgenden werden Studien bewertet, die anhand folgender Qualitätskriterien ausgewählt wurden und deren Ergebnisse belastbar sind:

  • Verwendung einer Expositionsanlage,
  • Angabe des SAR-Wertes
  • Scheinexposition als Kontrolle
  • Verblindung
  • mindestens zehn Tiere in den Gruppen der exponierten und scheinexponierten Tiere.

Diesen Kriterien entsprechen insgesamt fünf Studien. Diese haben auch den Vorteil, dass in zwei Fällen eine Ganzkörperexposition bis zu 4 W/kg angewandt wurde. Bei 4 W/kg treten bei Nagetieren bereits Verhaltensänderungen und thermoregulatorische Reaktionen auf, es ist also zu erwarten, dass es sich bei einer so hohen Belastung zeigen würde, wenn elektromagnetische Felder einen Einfluss auf die Fruchtbarkeit hätten. Trotzdem fanden vier der genannten Studien keinen Einfluss und eine Studie sogar eine erhöhte Fruchtbarkeit.

Zelltod in Hoden

Dasdag et al. [10] befeldeten erwachsene Ratten zehn Monate lang zwei Stunden täglich. Die Tiere waren während der Befeldung in Plastikröhrchen fixiert, der SAR-Wert im Bereich der Hoden schwankte zwischen 0,07 und 0,57 W/kg. Scheinexponierte Tiere wurden ebenfalls zehn Monate lang für zwei Stunden täglich fixiert, es wurde aber kein elektromagnetisches Feld angewandt. Es zeigte sich kein verstärkter Zelltod in den Hoden unter dem Einfluss der elektromagnetischen Felder. Andere Parameter wurden nicht untersucht.

Reproduktive Eigenschaften

In einem Vorhaben des Deutschen Mobilfunk Forschungsprogramms [2] wurden Langzeiteffekte, unter anderem auf reproduktive Eigenschaften von männlichen und weiblichen Mäusen, über vier Generationen hinweg unter dem Einfluss eines UMTS-Signals untersucht. Dabei wurden Ganzkörperexpositionen von 0,08, 0,4 und 1,3 W/kg angewandt. Jeweils 32 Männchen und 64 Weibchen lebten dauerhaft in drei kreisrunden Hohlleitern bei den genannten SAR-Werten. Scheinexponierte Tiere lebten in einem vierten Hohlleiter, der ausgeschaltet war. Die Wissenschaftler wussten nicht, welcher SAR-Wert in welchem Hohlleiter angewandt wurde.

Über vier Generationen hinweg wurden keine Unterschiede im Gewicht der Hoden, Nebenhoden und der Anhangsdrüse sowie Spermienzahl und Anteil geschädigter Spermien zwischen den Gruppen gefunden. Der Paarungserfolg mit ebenfalls befeldeten Weibchen, gemessen an der Zahl der Nachkommen, war auch unverändert.

Einfluss auf die sexuelle Entwicklung

Ozlem Nisbet et al. [3] befeldeten fixierte Raten bereits ab dem zweiten Lebenstag 90 Tage lang zwei Stunden täglich bei 900 und 1800 MHz. Dieser Zeitraum deckt die gesamte Entwicklungsphase von Ratten ab. Der SAR-Wert variierte in Abhängigkeit vom Wachstum der Tiere bei 900 MHz zwischen 1,2 und 3 mW/kg, bei 1800 MHz zwischen 0,011 und 0,053 mW/kg.

Der Testosteronspiegel war in beiden exponierten Gruppen gegenüber scheinexponierten Tieren erhöht. Die Spermienzahl war in allen drei Gruppen nicht signifikant unterschiedlich, deren Beweglichkeit war aber in beiden befeldeten Gruppen erhöht. Bei den mit 900 MHz befeldeten Tieren war zusätzlich der Anteil normaler Spermien erhöht und der Anteil geschädigter Spermien niedriger.

Die Autoren interpretieren diese Ergebnisse als verfrühte Pubertät infolge der Einwirkung elektromagnetischer Felder. Eine Beeinträchtigung der Fruchtbarkeit bedeuten sie aber nicht.

Eigenschaften von Hoden und Spermien

Lee et al. [4] befeldeten frei bewegliche Ratten mit einem Signalgemisch mit den Frequenzen 848,5 und 1950 MHz und mit einem SAR-Wert von insgesamt 4 W/kg. Zu Versuchsbeginn waren die Tiere vier Wochen alt.

  • Jeweils 20 Tiere wurden für zwölf Wochen an fünf Wochentagen jeweils 45 Minuten lang exponiert oder scheinexponiert.
  • Weitere zwei Gruppen von jeweils fünf Tieren dienten als Käfigkontrollen und Positivkontrollen. Die Positivkontrollen wurden mit ionisierender Strahlung behandelt, so dass eindeutige negative Effekte erwartet und auch gefunden wurden.

Zwischen exponierten und scheinexponierten Tieren gab es keine Unterschiede im Gewicht von Hoden und Nebenhoden, Spermienzahl, Stadien der Spermatogenese, oxidativem Stress und Zelltod in den Hoden.

Hoden und Fruchtbarkeit

Poulletier de Gannes et al. [11] befeldeten sieben Wochen alte frei bewegliche Ratten für sechs Wochen an sechs Wochentagen je eine Stunde mit einem WiFi Signal mit der Frequenz von 2450 MHz. Jeweils zwölf Tiere wurden scheinexponiert oder mit 0,08 und 4 W/kg exponiert. Nach drei Wochen wurden die Männchen mit ebenfalls befeldeten Weibchen verpaart.

Es gab keinen Unterschied zwischen den Gruppen hinsichtlich des Gewichts von Hoden, Nebenhoden, Samenblase und Prostata. Ebenfalls gab es weder makroskopische noch mikroskopische Unterschiede im Hodengewebe. Die Spermienqualität wurde nicht untersucht, da aber der Paarungserfolg in allen Gruppen gleich war, ist davon auszugehen, dass die Fruchtbarkeit nicht beeinträchtigt war.

Fazit: kein negativer Einfluss auf die Fruchtbarkeit

Alle aufgrund von Qualitätskriterien ausgewählten Tierstudien zeigen keinen negativen Einfluss hochfrequenter elektromagnetischer Felder mit SAR-Werten bis zu 4 W/kg auf unterschiedliche Parameter der Fruchtbarkeit. Diese decken aber nicht alle möglichen Parameter der Fruchtbarkeit ab und sind auch untereinander sehr unterschiedlich was Befeldungsdauer, Frequenz der angewandten elektromagnetischen Felder und die untersuchten Endpunkte betrifft. Daher empfiehlt die WHO in der Research Agenda 2010 weitere Tierstudien zum Einfluss hochfrequenter elektromagnetischer Felder auf die Geschlechtsorgane, allerdings nicht mit einer hohen Priorität.

Literatur (Volltext oft gebührenpflichtig)

[1] Mild KH, Bach Andersen J, Frølund Pedersen G (2012) Is there any exposure from a mobile phone in stand-by mode? Electromagn. Biol. Med. 31(1): 52 - 56

[2] Sommer AM, Grote K, Reinhardt T, Streckert J, Hansen V, Lerchl A (2009) Effects of radiofrequency electromagnetic fields (UMTS) on reproduction and development of mice: a multi-generation study. Radiat Res 171 (1): 89 – 95

[3] Ozlem Nisbet H, Nisbet C, Akar A, Cevik M, Onder Karayigit M (2011) Effects of exposure to electromagnetic field (1.8/0.9GHz) on testicular function and structure in growing rats. Res. Vet. Sci. 93(2): 1001 – 100

[4] Lee HJ, Jin YB, Kim TH, Pack JK, Kim N, Choi HD, Lee JS, Lee YS (2012): The effects of simultaneous combined exposure to CDMA and WCDMA electromagnetic fields on rat testicular function. Bioelectromagnetics 33(4): 356 – 364

[5] Kesari KK, Behari J (2012) Evidence for mobile phone radiation exposure effects on reproductive pattern of male rats: role of ROS. Electromagn. Biol. Med. 31(3): 213-22.

[6] Kesari KK, Kumar S, Nirala J, Siddiqui MH, Behari J (2012) Biophysical evaluation of radiofrequency electromagnetic field effects on male reproductive pattern. Cell Biochem. Biophys. 65(2): 85 -96

[7] Kumar S, Nirala JP, Behari J, Paulraj R (2014) Effect of electromagnetic irradiation produced by 3G mobile phone on male rat reproductive system in a simulated scenario. Indian J Exp Biol. 52(9): 890 - 897.

[8] Meena R, Kumari K, Kumar J, Rajamani P, Verma HN, Kesari KK (2014) Therapeutic approaches of melatonin in microwave radiations-induced oxidative stress-mediated toxicity on male fertility pattern of Wistar rats. Electromagn Biol Med. 33(2): 81 - 91

[9] Al-Damegh MA (2012) Rat testicular impairment induced by electromagnetic radiation from a conventional cellular telephone and the protective effects of the antioxidants vitamins C and E. Clinics 67(7): 785 - 792

[10] Dasdag S, Akdag MZ, Ulukaya E, Uzunlar AK, Yegin D (2008) Mobile phone exposure does not induce apoptosis on spermatogenesis in rats. Arch Med Res. 39(1): 40 – 44

[11] Poulletier de Gannes FP, Billaudel B, Haro E, Taxile M, Le Montagner L, Hurtier A, Aissa SA, Masuda H, Percherancier Y, Ruffié G, Dufour P, Veyret B, Lagroye I (2013) Rat fertility and embryo fetal development: Influence of exposure to the Wi-Fi signal. Reprod Toxicol. 36(1): 1 - 5

Stand: 05.07.2018

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