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Fachliche Stellungnahme zu der dänischen Handykohortenstudie

Aufgrund der rasanten Ausbreitung von Mobiltelefonen stellt sich die Frage nach möglichen Gesundheitsschäden, insbesondere Krebserkrankungen im Kopfbereich (z.B. Hirntumoren, Augentumoren, Akustikusneurinom), da hier die Exposition durch elektromagnetische Felder am größten ist. Bisherige Studien geben keine belastbaren Hinweise auf ein erhöhtes Krebsrisiko durch Handynutzung. Die Aussagekraft dieser Studien ist aber zum Teil durch kurze Beobachtungszeiträume (Zeiten zwischen erster Handynutzung und möglichen Tumordiagnosen) eingeschränkt.

Die dänische Kohortenstudie gehört mit mehr als 420.000 Handynutzern zu den weltweit größten Studien zu dieser Thematik. Im Jahr 2001 wurden die Ergebnisse der Auswertung für den Beobachtungszeitraum bis 1996 veröffentlicht (Johansen et al. 2001). Es zeigte sich kein Zusammenhang zwischen Handynutzung und Krebserkrankungen. Die Beobachtungsdauer war allerdings noch relativ kurz, so dass bis zu diesem Zeitpunkt nur wenige Krebsfälle bei Langzeitnutzern aufgetreten waren. Aus diesem Grund wurde der Beobachtungszeitraum bis 2002 und später bis 2007 erweitert. Die zugehörigen Ergebnisse wurden in internationalen wissenschaftlichen Fachzeitschriften publiziert.

Sie werden hier vorgestellt und bewertet.

StudiendesignEinklappen / Ausklappen

Die Grundgesamtheit für die Kohortenstudie waren alle Dänen und Däninnen, die im Zeitraum zwischen 1982 und 1995 erstmals einen Handyvertrag abgeschlossen hatten (n=723.421). Nach Ausschluss aller Probanden, die die Einschlusskriterien der Studie nicht erfüllten, darunter 200.507 Firmenverträge, die keiner Einzelperson zugeordnet werden konnten, umfasste die Kohorte 420.095 Personen. Für diese wurde ein Abgleich mit dem zentralen Bevölkerungsregister und dem dänischen Krebsregister durchgeführt und ermittelt, wie viele Personen bis zum Stichtag 31.12.2002 an Krebs erkrankten. Personen, die bereits vor dem ersten Handyvertrag an Krebs erkrankt waren, wurden von der Analyse ausgeschlossen. Anschließend erfolgte ein Vergleich der Häufigkeit von Krebsneuerkrankungen in der Kohorte der Handynutzer mit der in der Allgemeinbevölkerung Dänemarks. Daten zum Einkommen der Kohorte wurden vom dänischen Statistikamt bezogen.

Für den Vergleich der Häufigkeiten von Krebsfällen wurde das sogenannte Standardisierte Inzidenzratio (SIR) berechnet, das angibt, um welchen Faktor sich die in der Kohorte beobachtete Erkrankungsrate von der bei gleicher Alters- und Geschlechtsverteilung in der Allgemeinbevölkerung erwarteten Erkrankungsrate unterscheidet. Um eine Vergleichspopulation zu erhalten, die - soweit möglich - Nicht-Handynutzer umfasst, wurden bei den Analysen die in der Kohorte aufgetretene Anzahl von Krebsfällen sowie die zugehörigen Personenjahre von den entsprechenden Daten der Allgemeinbevölkerung abgezogen.

Ein SIR größer 1 bedeutet eine Risikoerhöhung, ein SIR kleiner 1 eine Risikoerniedrigung. Der 95-Prozent-Konfidenzbereich gibt den Bereich an, in dem das tatsächliche Risiko mit 95 Prozent Sicherheit liegt. Das heißt, eine Risikoerhöhung oder -erniedrigung gilt als statistisch signifikant, falls die 1 nicht im Konfidenzbereich liegt.

Der Beobachtungszeitraum wurde dann um fünf Jahre bis Ende 2007 verlängert und Analysen speziell zu Hirntumoren durchgeführt. Um individuelle Informationen zu sozio-ökonomischen Faktoren zu erhalten, wurden die Daten der Handynutzer-Kohorte mit der dänischen Kohorte CANULI abgeglichen. Diese Kohorte enthielt alle Einwohner Dänemarks, die 30 Jahre oder älter sind und nach 1925 in Dänemark geboren wurden. Untersucht wurde in der Kohorte der Zusammenhang zwischen Sozialstatus und Krebserkrankungen. Durch die Beschränkung auf die CANULI-Kohorte reduzierte sich der Datensatz auf 358.403 Personen.

Ergebnisse zum Beobachtungszeitraum bis Ende 2002 Einklappen / Ausklappen

  • Die Kohorte umfasste anfangs 420.095 Personen, davon 357.553 Männer und 62.542 Frauen. Die durchschnittliche Dauer des Handyvertrags lag bei 8,5 Jahren, das Maximum war 21 Jahre.
  • Während des Beobachtungszeitraums sind in der Kohorte der Handynutzer 14.249 Krebserkrankungen aufgetreten, laut Vergleichsgruppe wären 15.001 zu erwarten gewesen. Dies ergibt ein statistisch signifikant erniedrigtes Krebsrisiko bei Handynutzern (SIR=0,95; 95-%-Konfidenzbereich: 0.93 - 0.97).
  • Das erniedrigte Krebsrisiko ist bei Betrachtung der einzelnen Tumorlokalisationen vorwiegend auf erniedrigte Risiken für Tabakrauch-assoziierte Tumoren (zum Beispiel Lungenkrebs) bei den Männern zurückzuführen. Ein Vergleich des Einkommens der Handynutzer mit dem der Allgemeinbevölkerung zeigte unabhängig von Alter und Geschlecht ein deutlich höheres Einkommen für Handynutzer. Da in höheren Einkommensklassen weniger Raucher auftreten als in niedrigeren, wurde der Rückschluss gezogen, dass in der Kohorte möglicherweise eine niedrigere Raucherprävalenz und ein gesünderer Lebensstil als in der Durchschnittsbevölkerung vorherrschten. Dies könnte die niedrigere Rate an Tabakrauch-assoziierten Tumoren erklären.
  • Für die im Zusammenhang mit Handynutzung in Diskussion stehenden Tumorlokalisationen wurden keine erhöhten Risiken beobachtet. Dazu zählen Hirntumore (SIR=0,97), das Akustikusneurinom (SIR=0,73), Speicheldrüsenkrebs (SIR=0,77), Augentumoren (SIR=0,96) oder Leukämien (SIR=1.00). Auch für Langzeitnutzer (mehr als zehn Jahre Handyvertrag, n=28 beobachtete Fälle) wurde kein erhöhtes Risiko für Hirntumorerkrankungen (SIR=0.66; 95% Konfidenzbereich: 0.44 - 0.95) beobachtet. Untersuchungen zum Hirntumorrisiko in Abhängigkeit von der Zeitdauer seit dem ersten Vertrag zeigten keinen statistisch signifikanten Trend. Gleiches galt für Leukämien.
  • Analysen zu Untergruppen der Hirntumoren zeigten ebenfalls kein erhöhtes Krebsrisiko. Dazu zählen Gliome (SIR=1.01), Meningiome (SIR=0.86) oder kraniale Nervenscheidentumore einschließlich des Akustikusneurinoms (SIR=0,73).
  • Bei Betrachtung der einzelnen Tumorlokalisationen nach Geschlecht fand sich ein statistisch signifikant erhöhtes Risiko für Nierenkrebs und für Gebärmutterhalskrebs bei Frauen. Die Autoren gehen aber nicht von einem Zusammenhang mit der Handynutzung aus, sondern von möglichen Unterschieden zwischen Handynutzern und der Durchschnittsbevölkerung hinsichtlich potenzieller Risikofaktoren für diese Krebsarten oder einem Zufallsergebnis auf Grund von multiplem Testen.

Die Ergebnisse wurden 2006 im Journal of the National Cancer Institute veröffentlicht (Schüz et al. 2006).

Ergebnisse zum Beobachtungszeitraum bis 2007 Einklappen / Ausklappen

Im bis Ende 2007 verlängerten Beobachtungszeitraum wurden Analysen zu Hirntumoren durchgeführt. Die zugehörigen Ergebnisse wurden 2011 im British Medical Journal veröffentlicht (Frei et al. 2011).

Außerdem wurde der Zusammenhang zwischen der Mobilfunknutzung und dem Hautkrebsrisiko analysiert. Die Ergebnisse wurden 2013 in einer weiteren Publikation im American Journal of Epidemiology veröffentlicht (Poulsen et al. 2013).

Im Beobachtungszeitraum 1990 bis 2007 sind 10.729 Hirntumor-Neuerkrankungen aufgetreten. Im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung zeigten die Handynutzer der Kohorte kein erhöhtes Risiko für Hirntumore. Dies galt auch für Langzeitnutzer (mehr als 13 Jahre) bei Männern und Frauen. Weder bei Auswertungen nach Jahren seit erster Nutzung noch bei Auswertungen nach anatomischer Lage des Tumors fanden sich Expositions-Wirkungs-Beziehungen. Der sozio-ökonomische Status erwies sich als kein wesentlicher Confounder. Insgesamt bestätigen die neuen Ergebnisse die früheren mit geringerem Beobachtungszeitraum.

Die Ergebnisse der Studie zum Hautkrebsrisiko ergaben ebenfalls keinen Zusammenhang zwischen Mobilfunknutzung und einem erhöhten Erkrankungsrisiko.

BewertungEinklappen / Ausklappen

Stärken und Schwächen der Studie
  • Zu den Stärken der Studie gehören die Größe der Kohorte, die lange Beobachtungsdauer, die - im Vergleich zu anderen Studien - relativ lange Zeit seit erster Handynutzung und die Erhebung objektiver Daten zur Exposition (Jahre des Vertrags). Des Weiteren sind Kohortenstudien im Vergleich zu Fall-Kontroll-Studien generell nicht anfällig für Verzerrungsmöglichkeiten wie zum Beispiel Erinnerungsbias, Selektionsbias durch Nichtteilnahme etc.
  • Zu den möglichen Schwächen der Studie zählt, dass die Selektion der Teilnehmer die Möglichkeit einer Risikounterschätzung birgt. Ein großer Teil von Handynutzern, deren Vertrag über eine Firma lief, wurde ausgeschlossen. Dies könnten jedoch gerade die Vielnutzer sein. Personen, die nach 1995 einen Handyvertrag abgeschlossen hatten, wurden nicht in die Kohorte der Handynutzer aufgenommen. Die Vergleichspopulation besteht daher nicht aus reinen "Nicht-Handynutzern". Auch kann eine falsche Expositions-Klassifikation nicht ausgeschlossen werden. Dies ist der Fall, wenn Personen, die einen Vertrag abgeschlossen haben (vermeintlich Exponierte), nicht selbst mit dem Handy telefonieren, sondern es an andere Personen weitergegeben haben (vermeintlich Nicht-exponierte) oder umgekehrt. Für eine Untergruppe von 822 Personen der Kohorte lagen Daten zur tatsächlichen Telefonnutzung vor. Sensitivitätsanalysen ergaben, dass eine solche Expositionsklassifizierung zu einer leichten Unterschätzung des Risikos führt. Eine weitere Limitation der Studie ist das Fehlen von Informationen zu möglichen Störfaktoren (Confoundern).
Eingeschränkte Aussagekraft der Studie

Die Ergebnisse der Dänischen Handykohortenstudie zeigen kein erhöhtes Krebsrisiko für Handynutzer. Dies gilt für Hirntumoren, Speicheldrüsenkrebs, Akustikusneurinom, Augentumoren und Leukämien und sowohl für Kurzzeit- als auch für Langzeitnutzerinnen und -nutzer (mehr als zehn Jahre).

Für Langzeitnutzerinnen und -nutzer wurde ein signifikant erniedrigtes Risiko für Hirntumoren gefunden. Hierfür gibt es keine biologische Erklärung. Da die Zahl der beobachteten Krebsfälle sehr klein war, ist es möglich, dass dieses Ergebnis durch Zufall oder durch negatives Confounding nicht berücksichtigter Störgrößen erklärt werden kann.

Aufgrund der oben genannten methodischen Schwächen kann insgesamt eine Unterschätzung des Risikos nicht ausgeschlossen werden. Die Aussagekraft dieser Studie ist deshalb eingeschränkt und liefert keine für den Strahlenschutz verwertbare neue Information.

Fazit

Die Ergebnisse der Dänischen Handykohortenstudie zeigen kein erhöhtes Krebsrisiko für Handynutzer. Bisherige Ergebnisse aus epidemiologischen Studien zeigen weitgehend übereinstimmend ebenfalls kein erhöhtes Krebsrisiko in den ersten zehn Jahren einer Handynutzung. Unklar ist die Situation für Langzeitnutzer und -nutzerinnen. Dies gilt auch für die sogenannte INTERPHONE-Studie, die größte bisher durchgeführte Studie zum Risiko von Gehirntumoren und zur Nutzung von Mobiltelefonen. Sie umfasst eine erhebliche Anzahl von Teilnehmern, die seit mindestens zehn Jahren Mobiltelefone benutzten.

Insgesamt wurde kein erhöhtes Risiko für Gliome oder Meningeome beobachtet, das auf die Nutzung von Mobiltelefonen zurückgeführt werden könnte. Es zeigen sich Hinweise auf ein möglicherweise erhöhtes Risiko für Gliome bei der höchsten Expositionsgruppe, aber aufgrund von möglichen Verzerrungen und Fehlern ist eine kausale Interpretation dieses Zusammenhangs nicht möglich.

Stand: 11.09.2018

© Bundesamt für Strahlenschutz