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Mögliche tumorfördernde Wirkung hochfrequenter elektromagnetischer Felder

  • Eine Pilotstudie des Fraunhofer Instituts aus dem Jahr 2010 fand bei Mäusen, bei denen Krebs mit einer krebserregenden Substanz ausgelöst wurde, dass elektromagnetische Felder (EMF) eine wachstumsfördernde Wirkung auf die Tumoren hatten. EMF allein lösten keinen Krebs aus.
  • Das BfS förderte an der Jacobs Universität Bremen eine Folgestudie, die die Ergebnisse der Pilotstudie bestätigte: es zeigte sich eine tumorfördernde Wirkung von EMF auf den durch eine krebserregende Substanz ausgelösten Krebs in Lunge und Leber.
  • Welche Mechanismen zu diesem Befund beitragen, wurde in einem weiteren Forschungsvorhaben untersucht. EMF sind nicht an der Tumorentstehung durch eine krebserregende Substanz beteiligt und fördern den durch diesen Stoff ausgelöste DNA Schädigung nicht. Die tumorfördernde Wirkung von EMF entfaltet sich zum späteren Zeitpunkt, wenn der Krebs bereits entstanden ist.

Pilotstudie

In der Pilotstudie des Fraunhofer Instituts (Tillmann et al. 2010) wurde trächtigen Mäusen der Tumorinitiator Ethylnitrosoharnstoff (ENU) verabreicht und mit einer chronischen Ganzkörperexposition mit einem UMTS-Signal kombiniert. Damit sollte überprüft werden, ob EMF die Wirkung des krebsauslösenden ENU verstärken, also ob sie krebsfördernd wirken, ohne selbst Krebs auslösen zu können. Die Exposition begann in utero und wurde bis zum Lebensalter von 24 Monaten fortgeführt. Es wurde eine spezielle Mauslinie (B6C3F1) verwendet, die für Experimente mit ENU besonders gut geeignet ist, da sie ENU gut verträgt.

Trotz Tumoren lebt diese Mausart recht lange und ermöglicht somit eine langfristige Exposition. Die Tumorinzidenzen im Gehirn, in der Niere, der Milz und in den Lymphknoten waren durch die Exposition nicht beeinflusst. Es wurde aber eine erhöhte Tumorrate in Lunge und Leber sowie eine Erhöhung der Zahl der metastasierenden Lungentumoren in der ENU/UMTS-Gruppe beschrieben. Da die Tumorinzidenzen in der Leber auch in den Kontrollgruppen erhöht und alle Gruppen mit Helicobacter infiziert waren, kann nicht ausgeschlossen werden, dass diese Infektion und nicht die Felder zu den erhöhten Krebsraten in der Leber geführt haben.

Vom BfS geförderte Wiederholungsstudie

Um die Ergebnisse der Pilotstudie zu überprüfen, hat das BfS an der Jacobs Universität Bremen die Studie "Tumorpromotion durch hochfrequente elektromagnetische Felder in Kombination mit kanzerogenen Substanzen - synergistische Wirkungen" gefördert. Die Studie wurde 2015 abgeschlossen, der Abschlussbericht kann im Online-Repositorium DORIS des BfS heruntergeladen werden.

In dieser tierexperimentellen Studie wurde mit einer größeren Anzahl an Versuchstieren und bei höheren Expositionen als in der Pilotstudie untersucht, ob hochfrequente EMF des Mobilfunkstandards UMTS (1,97 GHz) Entwicklung und Wachstum von Tumoren fördern können, ohne selbst die Entstehung von Tumoren auszulösen.

Die Ergebnisse der Pilotstudie konnten im Wesentlichen bestätigt und ausgeweitet werden.

Methodik

  • Weibliche B6C3F1-Mäuse wurden lebenslang, beginnend in utero, mit hochfrequenten EMF des UMTS-Standards chronisch ganzkörper-exponiert.
  • Die Muttertiere erhielten eine Injektion mit dem Tumorinitiator Ethylnitrosoharnstoff (ENU), der von den Föten aufgenommen wird.
  • Im Vergleich der UMTS-exponierten Gruppen (SAR 0,04, 0,4 oder 2 W/kg) mit der scheinexponierten Kontrolle (SAR 0 W/kg) wurde geprüft, ob durch die Kombination ENU + UMTS am Ende des Untersuchungszeitraums mehr Tumoren auftreten, als mit ENU allein.
  • Untersucht wurden die Organe Gehirn, Lunge, Leber, Niere, Milz und Lymphknoten.
  • Zusätzlich wurde eine Käfigkontrolle mitgeführt, die weder scheinexponiert noch mit ENU behandelt wurde.

Ergebnisse

Zwar unterscheiden sich die Ergebnisse beider Studien im Detail, die wesentlichen Ergebnisse der Pilotstudie wurden aber bestätigt.

  • Wie in der Pilotstudie war die Häufigkeit des Auftretens von Tumoren in Gehirn, Nieren oder Milz nicht erhöht.
  • Die mittlere Überlebensdauer lag in beiden Studien in allen ENU-Gruppen unterhalb derjenigen der Käfig-Kontrolle (ohne ENU), wurde aber durch die zusätzliche UMTS-Exposition nicht weiter beeinflusst.
  • Wie in der Pilotstudie stieg jedoch die Zahl der Tumoren (Karzinome und Adenome) in Leber und Lunge in den mit ENU und UMTS behandelten Gruppen gegenüber den scheinexponierten und mit ENU behandelten Tieren an.
  • Anders als in der Pilotstudie wurde in der vorliegenden Studie zudem in einer der Untersuchungsgruppen (ENU + UMTS 0,4 W/kg) ein Anstieg der Häufigkeit von Lymphomen beobachtet.
  • Die tumorfördernden Effekte waren bei einigen der untersuchten Leber- und Lungen-Tumorarten bereits beim niedrigsten SAR-Wert von 0,04 W/kg signifikant
  • Eine Dosis-Wirkungsbeziehung war nicht zu erkennen.
  • Anders als in der Pilotstudie wurde in der vorliegenden Studie zudem ein Anstieg der Häufigkeit von Lymphomen in einer der Untersuchungsgruppen (ENU + UMTS 0,4 W/kg) beobachtet.

Vom BfS geförderte Studie zu Wirkmechanismen

Um die Wirkmechanismen, die zu den vorliegenden Ergebnissen führen abzuklären, förderte das BfS seit Beginn 2016 an der Jacobs Universität Bremen die Studie "Synergistische Wirkungen hochfrequenter elektromagnetischer Felder in Kombination mit kanzerogenen Substanzen - Kokanzerogenität oder Tumorpromotion?"

Es wurde untersucht, ob durch EMF die Aufnahme oder die DNA-schädigende Wirkung von ENU bereits im Anfangsstadium verstärkt wird (Kokarzinogenität) oder ob ENU unabhängig von EMF Tumoren verursacht, die dann später durch EMF in ihrem Wachstum gefördert werden (Tumorpromotion). Die Studie wurde 2017 abgeschlossen, der Abschlussbericht kann im Online-Repositorium DORIS des BfS heruntergeladen werden.

Methoden

Es wurde zunächst identisch wie in der vorherigen Studie vorgegangen: trächtige Mäuse wurden mit UMTS exponiert (SAR 0, 0,04 oder 0,4 W/g) und erhielten eine Spritze ENU. Um die frühen Effekte der Kombination aus ENU und UMTS zu untersuchen, wurde jeweils 24, 36 und 72 Stunden nach der Verabreichung von ENU ein Teil der Tiere eingeschläfert. Die Föten wurden entnommen und das Ausmaß der DNA-Schädigung im Gehirn, Lunge und Leber durch immunhistochemische Fluoreszenzfärbung untersucht.

Ergebnisse

Die schwächsten DNA-Schäden waren in den Gehirnen festzustellen, die stärksten in der Leber. Die statistische Analyse ergab keine signifikanten Unterschiede zwischen den unterschiedlichen Expositionsgruppen. UMTS fördert also die DNA Schädigung durch ENU nicht, es handelt sich nicht um einen kokanzerogenen Effekt. Das bedeutet, dass die beobachteten tumorfördernden Effekte im Tiermodell Maus eine andere Ursache haben müssen. Es gibt Hinweise, dass sich die Gewebeeigenschaften von Tumoren und gesundem Gewebe unterscheiden und das EMF in Tumoren stärker absorbiert werden. Dies könnte zu einem schnelleren Wachstum der Tumore führen.

Bedeutung für den Menschen

Die Frage nach der Übertragbarkeit der Ergebnisse auf den Menschen kann durch keine der drei Studien beantwortet werden. Bei kleinen Tieren wie Mäusen werden die inneren Organe stärker von den Feldern erreicht als beim Menschen.

Bereits die Übertragbarkeit der Ergebnisse auf andere Tiermodelle ist schwierig, denn bei Ratten (Hirntumore) und anderen Mausmodellen (Lymphome) wurde ein krebsfördernder Einfluss hochfrequenter elektromagnetischer Felder nicht gefunden.

Zur Ableitung von Grenzwerten können die Ergebnisse nicht herangezogen werden. Sie stützen aber die Empfehlungen des BfS zur Minimierung der Exposition gegenüber hochfrequenten EMF.

Stand: 19.01.2018

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