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3. Ursachenklärung von Leukämien im Kindesalter

Niederfrequente Magnetfelder wurden bereits 2001 von der mit der Weltgesundheitsorganisation (WHO) assoziierten Internationalen Agentur für Krebsforschung (IARC) als "möglicherweise kanzerogen" (Gruppe 2b) eingestuft. Die Klassifizierung basiert auf der relativ konstant beobachteten statistischen Assoziation zwischen schwachen niederfrequenten Feldern und einem leicht erhöhten Risiko für Leukämien im Kindesalter. Zu diesem Thema initiierte das BfS seit 2008 mehrere internationale Workshops, teilweise in Kooperation mit der WHO, der Internationalen Kommission für den Schutz vor nichtionisierender Strahlung (ICNIRP) und anderen nationalen Strahlenschutzbehörden oder Gremien. Im Jahr 2010 wurde zusammen mit pädiatrischen Onkologen eine interdisziplinäre Forschungsagenda erarbeitet mit dem Ziel, die komplexen Ursachen von Leukämien im Kindesalter zu klären. Auf Basis der veröffentlichten Forschungsagenda wurden einige der Themenschwerpunkte aufgegriffen und entsprechende Pilotprojekte initiiert. Die Ergebnisse von 5 Pilotstudien sind veröffentlicht und legen als nächste Schritte die Folgeforschungsvorhaben nahe.

Forschungsprojekte

3.1. Meta-Analyse zum Zusammenhang von Leukämien im Kindesalter, Magnetfeldexposition und schwacher ionisierender Strahlung

Es liegen einige neuere epidemiologische Studien zu Leukämien im Kindesalter und Magnetfeldexposition, aber auch zu schwacher ionisierender Strahlung (Gamma-Strahlung und natürlicher Radonexposition) vor. Die Metaanalyse wird eine bewertende Zusammenfassung aller vorhandenen Studien liefern.

3.2. Gepoolte Analyse zu Leukämien im Kindesalter und Magnetfeldexposition

Neue Studienergebnisse aus mehreren Ländern rechtfertigen eine Aktualisierung der vorhandenen Analysen, die im Jahr 2001 als Datenbasis für die IARC-Klassifizierung "möglicherweise krebserregend" dienten.

3.3. Molekulargenetische Analyse ("deep sequencing") von B-Zell-ALL-Patienten

Neue Sequenziertechniken geben detaillierte Einblicke in den molekulargenetischen Hintergrund von Erkrankungen, aber auch in umweltbedingte Risikofaktoren. Das anspruchsvolle Projekt wird zeigen, ob eine Magnetfeldexposition sich im Genom, Exom, Methylom, Transkriptom oder miRNom widerspiegelt.

3.4. Untersuchungen zum Auftreten von Leukämie bei geeigneten Tiermodellen

Erst seit kurzem steht ein Mausmodell zur Verfügung, das den präleukämischen Zustand einer humanen akuten lymphatischen Leukämie im Kindesalter widerspiegelt. Damit kann erstmals experimentell überprüft werden, ob schwache Magnetfelder (oder auch andere Umweltnoxen) Leukämie auslösen können.

3.5. Untersuchungen zum Immunstatus von Magnetfeld-exponierten Tiermodellen

Seit langem wird auch ein geschwächtes, bzw. nicht ausgereiftes Immunsystem als (Mit-)Ursache für Leukämien im Kindesalter vermutet. Das neue Mausmodell wird klären, ob sich die in Pilotstudien beobachteten Magnetfeldeffekte auf zytotoxische T-Zellen bestätigen lassen. Das Vorhaben wird derzeit am Fraunhofer-Institut für Toxikologie und experimentelle Medizin ITEM durchgeführt, mit einer Laufzeit vom 01.12.2016 bis 30.09.2019.

3.6. Teilnahme beziehungsweise Beteiligung an internationalen Konsortien, die sich mit den Ursachen von Leukämien im Kindesalter beschäftigen

Leukämien im Kindesalter sind nicht nur komplexe, sondern auch seltene Erkrankungen, die für einen weiteren Kenntnisgewinn eine interdisziplinäre und internationale Zusammenarbeit benötigen. Das BfS beteiligt sich an CLIC (Childhood Leukemia International Consortium), I4C (International Childhood Cancer Cohort Consortium) und dem neuen pädiatrisch-onkologischen Netzwerk GALnet (The Global Acute Leukemia network).

3.7. Internationaler Workshop zum aktuellen Stand der Ursachenforschung von Leukämien im Kindesalter

Seit 2008 organisiert das BfS, zum Teil mit WHO, ICNIRP oder anderen nationalen Strahlenschutzbehörden, regelmäßig internationale Workshops zum Stand der Ursachenforschung von Leukämien im Kindesalter. Im November 2016 fand bereits der 5. internationale Workshop statt, etwa 2-3 Jahre später soll ein weiterer Workshop zum Austausch des Kenntnisstandes stattfinden.

3.8. Beteiligung an einer nationalen Geburts- oder Mutter-Kind-Kohorte

Eine prospektive Kohorte kann Antworten auf viele gesundheitsrelevante Fragen geben und auch auf Fragen und Kenntnislücken eingehen, die sich erst in Zukunft ergeben. Sollten die verschiedenen Interessen im Umwelt- und Gesundheitswesen dazu führen, dass zeitnah eine Geburts- oder auch Mutter-Kind-Kohorte aufgebaut wird, wäre es sinnvoll, auch die Expositionen mit statischen, niederfrequenten und hochfrequenten Feldern zu erfassen.

Ergebnis der Online-Konsultation

Themenfeld 3Einklappen / Ausklappen

Bewertung von Themenfeld 3 Bewertung von Themenfeld 3Bewertung von Themenfeld 3

Das Themenfeld wurde überwiegend als sehr wichtig bewertet (siehe Abbildung). Die epidemiologischen Studien zur Leukämie bei Kindern erregen bei etlichen Kommentatoren Besorgnis. Einige Kommentatoren befürchten, dass nur ein bekannter Wirkmechanismus zur Empfehlung von Grenzwerten führt. Es wurde gefordert, die Beweiskraft epidemiologischer Studien mit einem kausalen Beweis gleichzusetzen.

Stellungnahme des BfS

Das Bundesamt für Strahlenschutz bewertet Studien anhand streng wissenschaftlicher Kriterien. Epidemiologische Studien, d.h. Beobachtungsstudien am Menschen, untersuchen einen möglichen Zusammenhang zwischen einem Risikofaktor (Exposition) und einer Erkrankung. Für die Leukämie im Kindesalter stammen die (konsistenten) Hinweise auf einen möglichen Einfluss von niederfrequenten Magnetfeldern aus sogenannten Fall-Kontroll-Studien. Diese Hinweise nimmt das BfS sehr ernst. Ob die beobachteten erhöhten Risiken tatsächlich ursächlicher Art sind, ist jedoch unklar, da Fall-Kontroll-Studien starken methodischen Problemen unterworfen sind (z.B. mangelhafte Kontrolle anderer Risikofaktoren ("confounding"), Misklassifikation der Exposition, Auswahlverzerrung ("Selektionsbias") und "recall bias"). Des Weiteren ist keine biologische Erklärung für einen möglichen Wirkmechanismus bekannt. Erst durch weitere Forschung (tierexperimentelle oder in vitro-Studien sowie gepoolte epidemiologische Studien) kann die Risikobewertung verbessert werden.

Eine anonymisierte Zusammenfassung der Kommentare zum Themenfeld 3 steht zum Download zur Verfügung.

Stand: 08.11.2017

© Bundesamt für Strahlenschutz