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Das Forschungsprogramm

Die Grenzwerte der 26. Bundesimmissionsschutzverordnung (26. BImSchV) schützen vor allen nachgewiesenen gesundheitlichen Risiken statischer und niederfrequenter elektrischer und magnetischer Felder, die von Stromleitungen ausgehen. Es gibt jedoch wissenschaftliche Hinweise auf mögliche gesundheitliche Wirkungen unterhalb der bestehenden Grenzwerte und weitere offene Fragen, die im Forschungsprogramm "Strahlenschutz beim Stromnetzausbau" geklärt werden müssen.

So kann der in mehreren Studien beobachtete statistische Zusammenhang von Expositionen gegenüber niederfrequenten Magnetfeldern und Leukämien im Kindesalter derzeit nicht zufriedenstellend erklärt werden. Auch Hinweise auf einen Zusammenhang zwischen Expositionen gegenüber niederfrequenten Magnetfeldern und dem Auftreten von degenerativen Erkrankungen des Nervensystems (z.B. Amyotrophe Lateralsklerose/ALS, Alzheimer-Demenz) können derzeit nicht abschließend beurteilt werden. Bei den HGÜ-Freileitungen sind es vor allem Fragen zu einer erhöhten Wahrnehmung beziehungsweise Wahrnehmbarkeit elektrischer Felder und zu einer möglicherweise verstärkten Korona-Ionen-Wirkung, die mit dem derzeitigen wissenschaftlichen Kenntnisstand nicht zufriedenstellend beantwortet werden können.

Forschung soll Unsicherheiten in der Risikobewertung verringern

Um bestehende wissenschaftliche Unsicherheiten in der Risikobewertung zu verringern und offene Fragen beantworten zu können, führt das Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) ein begleitendes Forschungsprogramm zum "Strahlenschutz beim Stromnetzausbau" durch. In insgesamt acht Themenfeldern sollen 36 einzelne Forschungsvorhaben durchgeführt werden.

Vorhaben, die der Ermittlung des aktuellen wissenschaftlichen Kenntnisstandes dienen und die zur Präzisierung der Fragestellungen für weitere Projekte beitragen können, wie z.B. Workshops und Literaturstudien, haben bereits begonnen, wurden durchgeführt oder sind zeitnah geplant.

Auswertung der Online-Konsultation

Bewertung des gesamten Forschungsprogramms Bewertung des gesamten ForschungsprogrammsBewertung des gesamten Forschungsprogramms. Dargestellt sind Bewertungen, die nicht explizit auf einzelne Themenfelder bezogen sind.

Das Forschungsprogramm als Ganzes, d.h. ohne gesonderte Berücksichtigung der Themenfelder, wurde von der überwiegenden Zahl der Kommentatoren als sehr wichtig bewertet (siehe Abbildung).

44 Kommentatoren gaben an, in unmittelbarer Umgebung von Hochspannungsleitungen zu wohnen, und sprechen sich für eine intensive Erforschung der noch offenen Fragen bezüglich gesundheitlicher Auswirkungen aus. Hierbei wurde die Forderung nach einer objektiven Bewertung der Gesundheitsrisiken und entsprechender Grenzwertempfehlungen betont. Außerdem wurde bemängelt, dass die geplanten Hybridleitungen nicht explizit Gegenstand des Forschungsprogramms sind und es wurde Forschung zur Risikobewertung der Hybridleitungen gefordert.

Alle Kommentare und Anregungen wurden vom Bundesamt für Strahlenschutz ausgewertet und fließen in die Ausgestaltung des Forschungsprogramms ein. Eine anonymisierte Zusammenfassung der Kommentare zum gesamten Forschungsprogramm steht zum Download zur Verfügung. Neben Anmerkungen, die nicht in den Zuständigkeitsbereich des BfS fallen (z.B. bezüglich Trassenführung, Notwendigkeit der Trassen etc.) waren gehäuft Bemerkungen zu folgenden Themen zu verzeichnen:

Kommentare zum Gesamtprogramm

Das Forschungsprogramm läuft parallel zum Stromnetzausbau und kommt damit zu spät.Einklappen / Ausklappen

Stellungnahme des BfS

Nach dem derzeitigen wissenschaftlichen Kenntnisstand sind keine Gesundheitsgefahren durch elektrische und magnetische Felder nachgewiesen, wenn die Grenzwerte eingehalten werden. Diese Sicht wird durch Analysen internationaler Expertengremien (SSK, WHO, ICNIRP, SCENIHR) gestützt.

Allerdings gibt es einzelne wissenschaftliche Hinweise zu gesundheitsrelevanten Wirkungen schwacher elektrischer und magnetischer Felder, etwa bezüglich eines möglichen Zusammenhangs zwischen niederfrequenten Magnetfeldern und der Entstehung von Leukämien im Kindesalter sowie neurodegenerativen Erkrankungen.

Das BfS intensivierte bereits 2008 die Ursachenforschung bezüglich Leukämie im Kindesalter und führte bisher 5 internationale Workshops sowie entsprechende Forschungsvorhaben durch.

Das Forschungsprogramm soll den Hinweisen zu möglichen gesundheitlichen Wirkungen elektrischer und magnetischer Felder nachgehen, um die Datenbasis für die Risikobewertung zu verbessern. Das BfS geht bei der Forschung ergebnisoffen nach streng wissenschaftlichen Kriterien vor. Mögliche Erkenntnisse müssen in den weiteren Prozess einfließen.

Abschlussberichte der Forschungsvorhaben zur Leukämie im Kindesalter

Forderung nach Forschung zur Risikobewertung der geplanten HWÜ/HGÜ-Hybridleitungen.Einklappen / Ausklappen

Stellungnahme des BfS

Das BfS beobachtet die einschlägige wissenschaftliche Literatur zu den Auswirkungen von Hybridleitungen. Das Augenmerk der aktuell verfügbaren hauptsächlich theoretischen Untersuchungen (Computersimulationen) liegt dabei auf der wechselseitigen Beeinflussung der Leiter und den resultierenden Auswirkungen auf das Übertragungssystem. Diese Auswirkungen sind in erster Linie für den Netzbetreiber relevant. Experimentelle Studien an Hybrid-Modelleitungen haben zur Verfeinerung und Validierung der Computermodelle beigetragen. Wie bei anderen Hochspannungsleitungstypen auch sind die zu erwartenden Geräuschbelastungen, die magnetischen und elektrischen Felder und Korona-Ionen für die Umwelt relevant. Die Exposition durch magnetische und elektrische Felder wird in den Themenfeldpunkten 7.2 und 7.4 berücksichtigt. Auswirkungen von Hybridleitungen auf die Exposition durch Korona-Ionen werden im Themenfeld 6 behandelt (einschließlich der elektrischen Felder durch die Raumladungswolken). Ein separates Themenfeld ist nicht vorgesehen.

Es existieren uneinheitliche Grenzwertsetzungen in der EU. Werden die Bürgerinnen und Bürger in Deutschland nicht geschützt?Einklappen / Ausklappen

Stellungnahme des BfS

Die 1998 von ICNIRP vorgeschlagene Begrenzung der magnetischen Flussdichte auf 100 µT fand Eingang in die Gesetzgebung vieler Länder und basiert auf dem Schutz vor nachgewiesenen Wirkungen (einen ausführlichen internationalen Vergleich der rechtlichen Regelungen im nicht-ionisierenden Bereich finden Sie hier). In der Stellungnahme von 2010 erhöhte ICNIRP aus systematischen Gründen die Empfehlung für 50 Hz Wechselstrom auf 200 µT. Diesem Schritt ist der deutsche Verordnungsgeber in der Novelle der 26. BImSchV von 2013 nicht gefolgt.

Der Schutz vor denkbaren, aber nicht nachgewiesenen Wirkungen im Rahmen der Vorsorge wird durch die Politik international unterschiedlich umgesetzt. In der Schweiz ist zusätzlich zum abgeleiteten Grenzwert von 100 µT bei 50 Hz ein sogenannter Anlagegrenzwert von 1 % je Anlage vorgesehen. In Deutschland wird der Vorsorge zum Schutz der Bürgerinnen und Bürger u.a. durch das Minimierungsgebot, das in der novellierten 26. Bundesimmissionsschutzverordnung (26. BImSchV) festgeschrieben ist, Rechnung getragen (siehe auch entsprechende AVV).

Weitere Informationen

Sorge um Doppelbelastung und Wechselwirkung von natürlich vorkommender ionisierender Strahlung (vor allem im Fichtelgebirge) mit den elektrischen und magnetischen Feldern der Stromleitungen.Einklappen / Ausklappen

Stellungnahme des BfS

Die Wirkungen von natürlich vorkommender ionisierender Strahlung und niederfrequenten elektrischen und magnetischen Feldern werden vom BfS gesondert betrachtet. Im Rahmen der Auswertung der einschlägigen wissenschaftlichen Literatur (siehe Themenfeld 6) werden auch mögliche Kombinationswirkungen der durch Stromtrassen erzeugten Korona-Ionen und radioaktiven Partikeln thematisiert.

Forderung nach Einbeziehung der Wirkungen auf Tiere und Pflanzen.Einklappen / Ausklappen

Stellungnahme des BfS

Schwerpunkt des Forschungsprogramms ist die Wirkung auf den Menschen. Der Stand der einschlägigen wissenschaftlichen Literatur einschließlich der Wirkungen auf die Tier- und Pflanzenwelt wird durch das BfS allerdings konsequent beobachtet. Sollten sich dabei konkrete Fragestellungen ergeben, werden entsprechende Forschungsvorhaben initiiert.

Die Forschungsergebnisse und Zwischenberichte sollen schnell verfügbar und die Urheber der Studien nachvollziehbar sein.Einklappen / Ausklappen

Stellungnahme des BfS

Das Bundesamt für Strahlenschutz veröffentlicht die Ergebnisse der einzelnen Forschungsvorhaben im Digitalen Online Repositorium und Informations-System "DORIS" und informiert durch Pressemitteilungen, aktuelle Meldungen oder entsprechende Internetartikel zeitnah über neue relevante Ergebnisse.

Weiterhin wurde angeregt, die Auswirkungen von Stromrichterstationen (Konverter) mit einzubeziehen.Einklappen / Ausklappen

Stellungnahme des BfS

Von Stromrichterstationen gehen Geräuschemissionen, sowie analog zu den Zu- und Ableitungen Emissionen elektrischer und magnetischer Felder bei den entsprechenden Frequenzen aus. Zusätzlich entstehen bei der Stromrichtung höhere Harmonische (ganzzahlige Vielfache von 50 Hz z.B. 100, 150, 200 Hz usw.) der Netzfrequenz, die über entsprechende Filter stark gedämpft werden. Auch Stromrichterstationen müssen die Grenzwerte einhalten. Eine gesonderte Betrachtung von Stromrichterstationen ist im Forschungsprogramm nicht vorgesehen. Die Wirkung von elektrischen und magnetischen Feldern hängt nicht davon ab, ob die Quelle eine Stromleitung oder ein Stromrichter ist.

Stand: 27.11.2017

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